Medizin
Rotavirus: Kostengünstiger Impfstoff für Afrika in Studie ausreichend effektiv
Freitag, 24. März 2017
Paris – Der erste Impfstoff gegen Rotaviren, der nicht im Kühlschrank gelagert werden muss und sich deshalb auch für den Einsatz in Afrika eignet, hat in einer randomisierten klinischen Studie im New England Journal of Medicine (2017; 376: 1121–1130) zwar nur eine mäßige Wirkung erzielt. Als kostengünstige Vakzine eines indischen Herstellers könnte sie jedoch mehr Menschenleben retten als die beiden zugelassenen Impfstoffe, die eine Kühlkette erfordern und wegen der hohen Kosten überwiegend in reicheren Ländern eingesetzt werden.
Rotaviren sind die häufigste Ursache viraler Darminfektionen bei Kindern. Die meisten Kinder erkranken im Alter von sechs Monaten bis zu zwei Jahren. Etwa die Hälfte muss im Krankenhaus behandelt werden, um eine Dehydration zu korrigieren. In reicheren Ländern ist die Behandlung in der Regel erfolgreich. In Afrika, Asien und Lateinamerika endet die Gastroenteritis jedes Jahr bei etwa 450.000 Kindern tödlich.
Zwei Impfstoffe, Rotarix von Glaxo Smith Kline und Rotateq von Merck (in Deutschland MSD), könnten die meisten Todesfälle verhindern. Die Kosten von 5 US-Dollar für zwei Dosen Rotarix und 10,50 US-Dollar für drei Dosen Rotateq sind jedoch für die meisten armen Länder zu hoch. Hinzu kommt, dass der Impfstoff im Kühlschrank gelagert werden muss.
Die Aufrechterhaltung einer Kühlkette ist jedoch in ländlichen Regionen ärmerer Länder oft nicht möglich, sodass auch die derzeitige Subventionierung durch die Gavi Alliance an ihre Grenzen stößt. Auch der Impfstoff Rotavac des indischen Herstellers Bharat Biotech International, der in mehreren indischen Bundesstaaten zugelassen ist und nur etwa 3 US-Dollar für jede Durchimpfung kosten würde, kann das Problem nicht lösen, da er ebenfalls im Kühlschrank gelagert werden muss.
Der Impfstoff BRV-PV (oral bovine rotavirus pentavalent vaccine), den das Serum Institute of India hergestellt hat, könnte diese Lücke füllen. Der Impfstoff wird gefriergetrocknet als Pulver geliefert, das vor Ort in Flüssigkeit aufgelöst wird. Er muss deshalb nicht im Kühlschrank gelagert werden. Der Impfstoff wurde mit Unterstützung der Ärzte ohne Grenzen in Niger in einer Placebo-kontrollierten Studie getestet. Insgesamt 3.508 gesunde Säuglinge erhielten im Alter von sechs, zehn und 14 Wochen die drei erforderlichen Dosierungen mit BRV-PV oder Placebo. Primärer Endpunkt war eine schwere Durchfallerkrankung in den ersten 28 Tagen nach der letzten Impfung mit einem positiven Nachweis von Rotaviren.
Wie das Team um Rebecca Grais vom Forschungszentrum Epicentre des Médecins Sans Frontières in Paris berichtet, traten in der Impfstoffgruppe 31 schwere Fälle einer Rotavirus-Gastroenteritis auf gegenüber 87 Erkrankungen in der Placebo-Gruppe. Dies ergibt eine Effektivität von 66,7 Prozent mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 49,9 bis 77,9. Die Schutzwirkung ist damit weitaus geringer als die von Rotateq und Rotarix, die in reicheren Ländern 80 bis 90 Prozent der Säuglinge schützen. In Afrika erreichte Rotateq in einer früheren Studie jedoch nur eine Effektivität von 39,3 Prozent, und auch Rotarix blieb in einer anderen Studie mit einer Effektivität von 61,2 Prozent hinter den Erwartungen zurück.
Selbst mit der eingeschränkten Effektivität könnte BRV-PV einer der erfolgreichsten Impfstoffe überhaupt werden. Eine flächendeckende Impfung könnte nach früheren Schätzungen im Zeitraum zwischen 2011 und 2013 insgesamt 2,46 Millionen Todesfälle bei Kindern verhindern. Die Kosten des neuen Impfstoffs sollen sich nach Angabe von Ärzte ohne Grenzen auf 2,50 US-Dollar pro Dreifachimpfung belaufen.
Der Erfolg eines Impfstoffes hängt jedoch auch von der Sicherheit ab. Die am meisten gefürchtete Komplikation ist eine Intussuszeption (Invagination) des Darms. Sie hatte 1999 zur Marktrücknahme des ersten Impfstoffes Rotashield geführt. Inzwischen ist bekannt, dass auch Rotateq und Rotarix diese seltene, aber lebensbedrohliche Komplikation auslösen können. In der aktuellen Studie zu BRV-PV ist die Komplikation nicht aufgetreten. Die Studie war jedoch zu klein, um die Häufigkeit dieser seltenen Komplikation abschätzen zu können. © rme/aerzteblatt.de

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