Politik
Delegation ärztlicher Leistung: „Wir wollen den Ärzten nichts nehmen“
Dienstag, 28. März 2017
Berlin – Vertreter von CDU und CSU haben sich dafür ausgesprochen, mehr ärztliche Leistungen auf nicht ärztliche Gesundheitsberufe zu übertragen. „Die Diskussion um eine Delegation beziehungsweise Substitution ärztlicher Leistungen gibt es schon lange. Bislang sind wir dabei allerdings weit hinter dem zurückgeblieben, was die Versorgung heute braucht“, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gestern auf einem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin. „Dabei sollte nicht die Sorge die Diskussion prägen, dass jemandem etwas weggenommen wird – vor allem nicht die Sorge, dass uns die Arbeit ausgehen wird. Die Frage wird sein, wie die Verzahnung aussieht, damit die erforderlichen Leistungen erbracht werden können.“
„Wir befinden uns auf einem schmalen Grat zwischen Chancen und Risiken“, meinte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Georg Nüßlein (CSU). Eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Ärzten und nicht ärztlichen Gesundheitsberufen hin zu mehr Partnerschaft auf Augenhöhe müsse gut abgewogen sein und durchdacht werden, vor allem in der Frage: „Was wird delegiert und was substituiert?“
Gröhe will Berufsausbildung von Heilmittelerbringern überarbeiten
Nüßlein zitierte aus einer Veröffentlichung der World Confederation for Physical Therapy, der zufolge der Behandlungserfolg bei Patienten höher sei, die von sich aus direkt einen Physiotherapeuten aufgesucht hätten. Bei diesen Patienten seien weniger Stunden ausgefallen, und die Folgekosten für das Gesundheitswesen seien geringer gewesen. Folgende Fragen müssten jedoch beantwortet werden, so Nüßlein: „Wie kann ein einheitliches Qualifikationsniveau gewährleistet werden? Müssen wir dafür die Berufsausbildung überarbeiten? Wer übernimmt die Verantwortung für die Therapieentscheidungen? Wer haftet für Fehler und übernimmt die Kosten der Haftpflichtversicherung? Und: Braucht es Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Heilmittelerbringer?“
Mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) hat die Bundesregierung vor kurzem Änderungen im Heilmittelbereich vorgenommen. So können die Krankenkassen mit den Verbänden der Heilmittelerbringer in den Jahren 2017 bis 2019 Vergütungsvereinbarungen oberhalb der Grundlohnrate abschließen, also der Summe der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen. Sie bezieht sich auf die Grundlohnrate des Vorjahres und wird in Prozent gemessen. Im Jahr 2017 liegt sie bei 2,5 Prozent. Und die Krankenkassen werden verpflichtet, in Modellprojekten sogenannte Blankoverordnungen von Heilmitteln zu erproben, bei denen der Arzt weiterhin Heilmittel verordnet, die Heilmittelerbringer die Auswahl und Dauer der Therapie jedoch selbst bestimmen.
Deutsches Ärzteblatt print
- Heil- und Hilfsmittel: Bundestag verabschiedet zahlreiche Änderungen
- Heil- und Hilfsmittelgesetz: Fachfremde Themen dominieren
aerzteblatt.de
Darüber hinaus kündigte Gröhe an, die Berufsausbildung nicht ärztlicher Gesundheitsberufe in der nächsten Legislaturperiode überarbeiten zu wollen. Ziel sei es, das Schulgeld zu streichen und „eine ergänzende, aber keine ersetzende Akademisierung einzuführen“.
Heilmittelverbände sind mit neuen Regelungen zufrieden
Die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Heilmittelverbände, Ute Repschläger, zeigte sich mit den vorgenommenen und den geplanten Änderungen sehr zufrieden. „Sie nehmen genau wahr, was wir wollen“, sagte sie zu Gesundheitsminister Gröhe. „Wir wollen, dass unsere Ausbildung attraktiver wird. Wir wollen kein Schuldgeld mehr zahlen, wir wollen mehr Vergütung, mehr Autonomie, wir wollen Arztentlastung durch neue Versorgungsformen. Und wir wollen eine Förderung der Akademisierung.“ Denn der Beruf werde attraktiver werden, wenn die Auszubildenden eine Perspektive hätten.
Darüber hinaus forderte Repschläger, dass die Patienten einen direkten Zugang zu den Heilberufserbringern bekommen. Dann solle der Patient entscheiden können, wer der Fachmann seiner Wahl sei. „Wir wollen den Ärzten nichts nehmen“, betonte sie. „Aber wir wollen unsere Kernkompetenz nutzen und einsetzen.“ Dazu gehöre auch die Übernahme ökonomischer und medizinischer Verantwortung. Zudem forderte sie, dass auch nicht ärztliche Gesundheitsberufe Einblicke in die elektronische Gesundheitskarte der Patienten bekommen.
BÄK: Ärzte müssen Verantwortung für Diagnose behalten
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, befürwortete die geplanten Modellvorhaben zur Blankoverordnung. Er machte aber deutlich, dass die Ärzte die Verantwortung für die Diagnose und die Indikationsstellung behalten müssten. Zudem sprach er sich dafür aus, dass Heilmittelerbringer studieren können, jedoch dagegen, dass sie studieren müssen. „Wer studieren will, soll es machen können. Aber es müssen nicht alle Physiotherapeuten studiert haben.“

"Vertreter von CDU und CSU haben sich dafür ausgesprochen, mehr ärztliche Leistungen auf nicht ärztliche Gesundheitsberufe zu übertragen.""
Das wird nicht funktionieren

Nachrichten zum Thema



Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.