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Politik

HIV-Hilfegesetz: Bund will Entschädigung für Opfer des Blutskandals alleine zahlen

Freitag, 31. März 2017

Rund 1.500 Hämophile-Patienten hatten sich bis Mitte der 1980er-Jahre über Blutkonserven mit HIV infiziert. /Gina Sanders stock.adobe.com

Berlin – Schon bald werden der Stiftung „Humanitäre Hilfe“ die Gelder ausgehen, mit denen sie Betroffene des Blutskandals entschädigt. Nach aktuellem Stand reichen die Mittel für HIV-Infizierte und deren Angehörige noch bis Ende 2018. Anschließend wird der Bund seine bisherigen Zahlungen verdoppeln und langfristig den finanziellen Part der pharmazeutischen Unternehmen und des Deutschen Roten Kreuzes übernehmen. Damit erhalten die Geschädigten erstmals eine rechtlich abgesicherte lebenslange Unterstützung, versicherte die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundes­tagsfraktion, Maria Michalk, gestern Abend beim Polit-Café im Café Ulrichs der Berliner Aidshilfe in Berlin.

Die Vertreter der deutschen Aidshilfe, des Stiftungsrats, der Deutschen Hämophilie­gesellschaft (DHG) und der Blutskandal-Kampagne zeigten sich dankbar und hoffen, dass die Gesetzesänderung so durchgeht: „Ich bin froh, dass wir nur noch einen Ansprechpartner haben. In der Ver­gangenheit wurden wir immer wieder hingehalten, wenn es um die Zukunft der Stiftung ging“, erklärt Jürgen Möller-Nehring, Vorstandsmitglied der DHG und selbst Betroffener. Dabei schien vor allem ein Stiftungsmitglied zu bremsen: „Das Argument lautete zu­meist, die Pharmaindustrie müsse noch verhandeln“, berichtete Möller-Nehring. Die gestern anwesenden Betroffenen und Verbände forderten daher auch die Pharma­industrie dazu auf, sich als Mitverursacher des Blutskandals weiterhin an der finanziellen Unterstützung zu beteiligen.

Die verantwortlichen Firmen wurden bereits angeschrieben, wollen sich jedoch erst nach Abschluss der Gespräche mit dem Bund äußern. „Wir gehen davon aus, dass sie sich höchstens mit einer symbolischen Summe beteiligen werden“, sagte Holger Wicht, Presse­sprecher der Deutschen Aidshilfe. Rechtsansprüche wurden damals bereits auf­ge­geben, sagte Wicht. „Jetzt können wir nur noch an die ethisch-moralische Verpflich­tung der Pharmafirmen appellieren, Entschädigungszahlungen zu leisten.“ Für manch einen Betroffenen ist das aber längst nicht genug.

Vorgelegte Änderungsvorschläge für das HIV-Hilfegesetz (HIVHG)

  • Die Leistungen der HIV-Stiftung werden lebens­lang zugesagt.
  • Die Mittel für die finanzielle Hilfe werden einzig vom Bund aufgebracht.
  • Die Leistungen berechnen sich dynamisch in Abhängigkeit der Rentenentwicklung.
  • Ab 2019 sind etwa neun bis zehn Millionen Euro jährlich vorgesehen.
  • Nicht mehr zum Stifterkreis gehören: Bayer, Immuno, Baxter Deutschland, Behringwerke, Armour Pharma, Alpha Therapeutic. Ebenso werden zukünftig keine Vertreter der Länder und des Deutschen Roten Kreuzes vertreten sein.

Omnibusgesetz auf dem Weg

Den entsprechenden Gesetzespassus hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Koalitionsfraktionen zugeleitet. Im Rahmen des Gesetz­gebungsverfahrens zum Blut- und Gewebegesetz werde auch das HIV-Hilfegesetz (HIVHG) geändert, sodass es noch diesen Sommer in Kraft treten könne, kündigte Michalk an. Das HIVHG soll Betroffenen eine lebenslange Pla­nungssicherheit geben. Dafür stellt der Bund ab 2019 neun bis zehn Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Neu ist auch, dass die monatlichen Entschädi­gungszahlungen mit der Rente steigen sollen. Ein rückwirkender Inflationsausgleich sei im jetzigen Entwurf hingegen nicht geplant, teilte Michalk mit. „Wir gehen von den aktuellen monatlichen Zahlungen aus und nutzen diese als Basis für 2019. Daran wird sich nichts ändern“, erklärte Michalk die vereinbarten Gesetzesänderungen im HIVHG. Diese liegen für HIV-positive Menschen bei etwa 760 Euro pro Monat, für an Aids Erkrankte bei etwa 1.500 Euro und für Ange­hörige bei 500 Euro.

Tritt das neue Gesetz Ende Juni in Kraft, ändert sich auch die Zusammensetzung des Stifterkreises. Nicht mehr dazu gehören dann sechs pharmazeutische Unternehmen: Bayer, Immuno, Baxter Deutschland, Behringwerke, Armour Pharma, Alpha Therapeu­tic. Auch die Länder und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) werden in die Finanzierung und den Stifterkreis nicht mehr einbezogen sein.

Ergebnisse der Prognos-Studie

Eine Studie des Instituts Prognos, die 2013 von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, zeigt: Für 80 Prozent der betroffenen Bluter sind die Entschädi­gungszahlungen die einzige materielle und finanzielle Lebensgrundlage. Zudem geht es ihnen von Jahr zu Jahr gesundheitlich und psychisch schlechter. Die regelmäßige Unsicherheit des Fortbestands der Stiftung trug in der Vergangenheit ihren Teil dazu bei, sagte Jürgen Möller-Nehring.

Korrekturwünsche am HIVHG

Am 26. April werden Sachverständige bei einer Anhörung im Bundestag zu den vorgelegten Änderungsvorschlägen Stellung nehmen. Erste Kritikpunkte wurden bereits am gestrigen Abend geäußert: Wicht stellte klar, dass Aids nicht mehr das richtige Kriterium sei, um eine besondere Härte der Erkrankung zu definieren. „Viele leiden heute dank neuer Medikamente nicht mehr an Aids, sondern an anderen Folgeerkrankungen der HIV-Infektion“, erklärt der Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe. Das Gesetz sieht aber weiterhin vor, das ausschließlich Men­schen mit Aids den Höchstsatz der Entschädigungszahlungen erhalten.

Keine Entschädigung für Hepatitis-C-Infizierte

Weiterhin keine Entschädigung erhalten Menschen, die sich im Zuge des Blutskandals mit Hepatitis C infiziert hatten, trotz identischer Infektionsursache. Die SPD-Bundes­tagsabgeordnete Mechthild Rawert ist der Meinung, dass man diese bereits länger bekannte Forderung in der kommenden Legislaturperiode erneut aufgreifen könnte. Erst Ende 2016 hatten Ärzte in einem Brief an Hermann Gröhe appelliert und darauf hinge­wiesen, dass bei den noch lebenden HCV-in­fizierten Blutern mittlerweile die Lebens­qualität durch die schwerwiegenden Leber­funkti­ons­störungen und die drohenden Komplikationen stark eingeschränkt sei.

Ärzte fordern Entschädigung für Hepatitis-C-infi­zierte Bluter

Hamburg – Der Ärztliche Beirat der Deutschen Hämophiliegesellschaft hat eine finanzielle Entschädigung der rund 1.500 noch lebenden Hepatitis-C-infizierten Hämophilen gefordert. Vor dem Hintergrund, dass die Folgen der Infektion mit Hepatitis-C-Viren (HCV) inzwischen die häufigste Todesursache bei Hämophilen sind, mahnten die Ärzte in einem offenen Brief Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Um auch diesen Menschen und weiteren Betroffenen eine Stimme zu geben, wird am 1. April ein neuer Verband gegründet: Verband der Opfer des Blutskandals. Der Verein vertritt Personen, die durch Blut, Serum oder Blutprodukte geschädigt wurden, sowie deren Angehörige, Freunde und Familien.

Anfang der 1980er-Jahre hatte das Bundesgesundheitsamt versäumt zu prüfen, ob nach Deutschland importiertes Blut und Medikamente gemäß dem aktuellen Stand der Forschung sicher waren. Dieses schuldhafte Versäumnis hatte zur Folge, dass sich in Deutschland mehr als 4.000 Bluter mit Hepatitis C, Hepatitis B und HIV infizierten. Rund 1.250 der Infizierten sind inzwischen an den auf sie übertragenen Viren gestorben. Von den 1.500 HIV-infizierten sind 1.100 an Aids gestorben. Noch 300 mit HIV-infizierte Bluter bekommen Geld aus der Stiftung, dazu rund 250 andere Personen, meist direkte Angehörige. Erst 1995 wurden die Opfer des Blutskandals anerkannt und mit Hilfszah­lun­gen aus einer Stiftung unterstützt.

© gie/aerzteblatt.de
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