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Zwei Tonnen Medizinalcannabis sollen bis 2021 in Deutschland angebaut werden

Mittwoch, 12. April 2017

Medizinalcannabis ist derzeit als Fertigarzneimittel (z.B. Spray Sativex), als Blütenextrakt (z.B. Lösung von Firma Bionorica Ethics) oder als Cannabisblüte (z.B. Bedrocan) verfügbar. /stock.adobe.com freshidea

Berlin – Ab sofort können sich Unternehmen europaweit bei der Deutschen Cannabis­agentur für den kommerziellen Anbau von Medizinalcannabis bewerben. Aus der Aus­schreibung geht erstmals auch hervor, mit welchem Produktionsumfang das Bundes­institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rechnet und welche Sorten in Deutschland angebaut werden sollen. Über diese Eckpunkte hatte das BfArM bisher aus Wettbewerbsgründen Stillschweigen bewahrt. 

Verschiedene Sorten von Medizinalcanna­bis sollen zu je 200 kg pro Jahr produziert werden:

  • 6 Lose Typ 1: THC zwischen 18 und 22 Prozent, CBD < 1 Prozent
  • 2 Lose Typ 2: THC zwischen 12 und 16 Prozent , CBD < 1 Prozent
  • 2 Lose Typ 3: THC zwischen 5 und 9 Prozent, CBD zwischen 5 und 9 Prozent

Firmen können sich auf zehn Aufträge bewerben, die in der Ausschreibung als „Lose“ bezeichnet werden. Diese umfas­sen drei  verschiedene Sorten von Medi­zi­nalcannabis, das sich durch unter­schiedliche  Zusammensetzungen von Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) definiert (siehe Kasten). Per Punktesystem werden dann pro Los die besten zehn Bewerber aus­findig gemacht. Nur diese Top Ten kom­men in die zweite Runde und dürfen einen Antrag einreichen.

Ein entscheidender Vorteil, den die Cannabisagentur in der ersten Auswahlrunde mit vielen Punkten belohnt, sind Erfahrungen im Anbau von Medizinalcannabis, aber auch anderen Medizinalpflanzen. „Wer beispielsweise im letzten Jahr 200 kg Cannabis zu medizinischen Zwecken angebaut hat und 200 kg Medizinalkamille, erreicht ein Maxi­mum von 60 Punkten“, erklärt Dirk Rehahn, Mitbegründer des Deutschen Hanfverbands (DHV) beim internationalen Cannabiskongress in Berlin. Der DHV-Geschäftsführer Georg Wurth ist der Meinung, dass diese Kriterien es für deutsche Unternehmen und Start-ups schwierig machen, eine Lizenz zu erlangen, da bislang kein kommerzieller Anbau in Deutschland möglich war. Rehahn, der heute im Großhandel für Gewächs­haustechnik tätig ist, will sich dennoch an der Ausschreibung beteiligen.

„Wir dürfen beim Anbau von Medizinalcannabis nicht marktwirt­schaft­lich denken.“ Dirk Rehahn, Mitbegründer des Deutschen Hanfverbands (DHV)

THC-/CBD-Gehalt soll nicht mehr als zehn Prozent abweichen

In Runde zwei legt die Cannabisagentur weitere Kriterien an: Den standardisierten Antrag bewerten sie nach dem Preis und dem Qualitätsmanagement. Firmen können aber auch mit der Art der geplanten Produktionsanlage, des Sicherungssystem oder Weiterbildungsmaßnahmen von Mitarbeitern punkten. Maßgeblich dafür sind die Anforderungen, die in der Monografie „Cannabisblüten“ des Deutschen Arzneibuches (DAB) stehen und der Monografie „Pflanzliche Drogen“ des Europäischen Arzneibuches, sowie alle Leitlinien zur Qualität pflanzlicher Arzneimittel.

Eine Vorversion der Monogra­fie, die in Kürze veröffentlicht werden soll, sehe eine Abweichung des THC-/CBD-Wirkstoffanteils von +/- 10 Prozent vor, verrät Rehahn. „Damit hätten wir in Deutschland die höchste Hürde weltweit.“ Selbst Bedrocan produziere in den Niederlanden mit einer Abweichung von +/- 20 Prozent. Der Monografie und der Ausschreibung entnimmt er zudem Hinweise, dass Cannabisblüten zukünftig nicht mehr im Fokus stehen werden. Stattdessen könnten fertige Arznei­mittel wie Kapseln und Tropfen an Bedeutung gewinnen.

Um an der Ausschreibung teilnehmen zu können, müsse noch keine Halle stehen und auch kein MItarbieter eingestellt sein, berichtet Rehahn. „Das alles kann in der Theorie eingereicht werden.“ Erst in den Jahren 2019/2020/2021 muss die dann eventuell neugegründete Firma 200 kg Cannabis, das auf deutschem Boden produziert wurde, liefern können. Die Deutsche Cannabisagentur rechnet der Ausschreibung zufolge mit einem Verbrauch ab 2021 von zwei Tonnen Cannabis. Das entspräche etwa einer Verzehn­fachung der Abgabemengen innerhalb der kommenden fünf Jahre.

Wurth hält diese Mengen für zu gering. Er schätzt, dass in Deutschland Ende des Jahres 2017 bereits 5.000 bis 15.000 Patienten Medizinalcannabis erhalten könnten. Zwar rechne man mit meheren 100.000 Patienten in Deutschland, denen Cannabis helfen könnte, wenn man Zahlen aus den USA oder Israel überträgt, berichtet Wurth. Jedoch würde man derzeit noch eine starke Zurückhaltung der Ärzte bei der Ver­schreibung beobachten.

Ebenso zurückhaltend seien die Krankenkassen bisher bei der Erstattung. Hingegen hält Rehahn die anvisierte Menge von zwei Tonnen des BfARM für nachvollziehbar. „Wir dürfen beim Anbau von Medizinalcannabis nicht marktwirtschaft­lich denken“, erklärt er. Die Cannabisagentur dürfe keine Überproduktion forcieren. Zudem bestünde die Möglichkeit, den Bedarf durch Importe auzutarieren. © gie/aerzteblatt.de

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Kommentare

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Avatar #79783
Practicus
am Samstag, 22. April 2017, 22:28

Überflüssiges Gerede

da die Krankenkasse unter Berufung auf die AM-Richtlinien die Kostenübernahme konsequent wegen "unbelegter Wirkung" verweigern werden, wie vom SpiBu bereit angekündigt.
Avatar #107994
Adolar
am Mittwoch, 12. April 2017, 21:10

Gewächshäuser....Ausschreibung .... Sicherungssysteme... Weiterbildung für Mitarbeiter.... typisch deutsch.

So ein Blödsinn. In Marokko im Rif wächst der Kram feldmäßig in bester Qualität, schon immer. Wenn man sowieso nichts genaues weiß, und "durch Zukäufe austarieren" will, wäre es wesentlich zweckmäßiger, alles zu importieren, als hier in der Kälte krampfhaft perfekte Hanfkulturen aufbauen zu wollen.
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