Hochschulen
Ambulanz für Männer soll Vergewaltigungen verhindern
Mittwoch, 19. April 2017
Hannover – Eine neue Ambulanz an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) für Männer mit sexuellen Gewaltfantasien soll verhindern, dass Frauen zu Opfern werden. Wer befürchtet, seine sexuellen Impulse nicht kontrollieren zu können, kann sich dort anonym und kostenlos behandeln lassen. Geplant sind Einzel- und Gruppentherapien, bei Bedarf auch mit medikamentöser Unterstützung. „Sexuelle Übergriffe passieren nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, sagte Sexualmediziner Uwe Hartmann heute bei der Vorstellung des Pilotprojekts in Hannover. Es gebe einen Vorlauf in der Seele und der Sexualität des Täters.
An der MHH gibt es bereits seit fünf Jahren die Ambulanz für pädophile Männer „Kein Täter werden“. In dieser Zeit habe es auch Anfragen von Männern gegeben, die von Gewaltfantasien berichteten, die sich auf erwachsene Frauen richteten, sagte Hartmann. Diese Gruppe sei groß und kaum erforscht. 2015 verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik bundesweit 7.022 Vergewaltigungen. Nur fünf Prozent der Taten werden Studien zufolge angezeigt – weil der Täter meist der eigene Partner oder Ex-Freund ist, aus Scham oder aus Angst, dass einem niemand glaubt.
Kontakt zur Gewaltambulanz der MHH
Menschen, die unter ihren sexuellen Impulsen leiden, können sich ab sofort unter der Telefonnummer 0511/532-6746 (montags von 8 bis 11 Uhr; mittwochs von 15 bis 17 Uhr und freitags von 15 bis 17 Uhr) oder per E-Mail unter protect-me@mh-hannover.de an die MHH wenden.
Um die Hintergründe der sexuellen Phantasien und Impulse besser zu verstehen, werden die Patienten auf freiwilliger Basis parallel zum Therapieangebot wissenschaftlich begleitet und untersucht. „Bisherige Untersuchungen weisen zum Beispiel darauf hin, dass Alkohol- und Drogenkonsum oder auch psychiatrische Begleiterkrankungen als Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit eines sexuellen Übergriffs maßgeblich erhöhen können“, erläuterte Tillmann Krüger, geschäftsführender Oberarzt in der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, der das Projekt gemeinsam mit Hartmann leitet. Das soll nun genauer untersucht werden. „Letztlich wollen wir Therapieansätze weiterentwickeln, damit sie noch individueller und effektiver einsetzbar sind.“
Auch Thomas Weishaupt vom Verein der Weisser Ring zeigte sich von dem neuen Projekt überzeugt. Alles was helfen könne, Straftaten und damit einhergehendes Leid von Opfern von Straftaten zu vermeiden, sei Opferschutz im besten Sinne des Wortes, sagte er.
aerzteblatt.de
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Das niedersächsische Gesundheitsministerium fördert die neue Ambulanz mit 450.000 Euro für zunächst drei Jahre. „Frauen leiden ihr Leben lang, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind“, betonte Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD). Insgesamt stelle ihr Haus jährlich über sieben Millionen Euro für den Opferschutz bereit.
Prävention und Behandlung dysregulierter Sexualität (PBDS) lautet die offizielle Bezeichnung des Pilotprojektes. Mit einem Plakat versuchen die Mediziner, Betroffene direkt anzusprechen: Abgebildet ist ein junger Mann, sein Gesicht und seinen Körper verdeckt der Satz: „Willst du mehr, als sie will?“ Die Psychiater sind optimistisch, dass Männer mit Gewaltfantasien das Angebot auch annehmen werden. „Die Menschen sind da und brauchen Hilfe“, sagte Tillmann Krüger, geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie. © dpa/EB/aerzteblatt.de

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