Politik
Contergangeschädigte: Medizinisches Zentrum in NRW eröffnet
Donnerstag, 27. April 2017
Düsseldorf/Nümbrecht – Ein neues ambulantes Schwerpunktzentrum in Nordrhein-Westfalen (NRW) betreut ab sofort Patienten mit Conterganschäden. „Diese Menschen haben besondere Bedarfe. Diese müssen wir erkennen und ihnen die notwendigen Hilfen und Unterstützungsangebote zur Verfügung stellen“, erklärte Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bei der Eröffnung des Zentrums an der Dr.-Becker-Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht. Ziel sei, Betroffenen durch bedarfsgerechte Behandlung, Prävention und Unterstützung auch im Alter ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Eine vom Land NRW in Auftrag gegebene Studie hatte 2015 die besonderen Versorgungsbedarfe contergangeschädigter Menschen dokumentiert und unter anderem die Einrichtung eines Schwerpunktzentrums empfohlen. „Im Schwerpunktzentrum wird es darum gehen, therapeutische Lösungsangebote auszuprobieren, aber auch eine umfassende Beratung zu bekommen hinsichtlich unserer besonderen Bedarfe im Wohnumfeld und Alltag“, sagte Udo Herterich, Vorsitzender des Interessenverbandes Contergangeschädigter NRW.
Spezifische Krankheitsbilder
Die Rhein-Sieg-Klinik hat durch eine ambulante Sprechstunde für contergangeschädigte Menschen Erfahrung in der spezifischen Diagnostik und Therapie der Betroffenen. „Wurden die sogenannten Ursprungsschäden von den Betroffenen über Jahrzehnte bemerkenswert gut kompensiert, leiden sie jetzt massiv unter Folgeschäden wie Nacken- und Rückenschmerzen sowie im Bereich der Extremitäten, an Schulter-, Knie- und Hüftschmerzen. Weiterhin liegt ein deutlich erhöhter Anteil an psychischen Beeinträchtigungen vor. Durch das Schwerpunktzentrum wollen wir die bisher festgestellte Unterversorgung und vor allem die Fehlversorgung der Betroffenen vermeiden“, sagte Klaus Peters, ärztlicher Leiter des Schwerpunktzentrums und Chefarzt der Orthopädie in der Dr.-Becker-Rhein-Sieg-Klinik Nümbrecht.
Im Schwerpunktzentrum werden während eines mehrtägigen ambulanten Aufenthaltes körperliche und gegebenenfalls psychische Folgeschäden der Conterganschädigungen diagnostiziert. Ein individuell erstellter Therapieplan enthält neben ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen auch Empfehlungen für weitere Maßnahmen wie Psycho-, Physio- oder Ergotherapie oder Ernährungsberatung.
Der ganzheitliche Ansatz wird in Nümbrecht von einem multidisziplinären Team umgesetzt, das aus Ärzten verschiedener Fachrichtungen wie der Orthopädie, Inneren Medizin, Schmerztherapie und Zahnmedizin besteht. Fachpersonal anderer Gesundheitsberufe sowie Sozialarbeiter unterstützen die Arbeit.
In Deutschland wurden durch das Medikament Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid, das im Jahr 1957 als Schlaf- und Beruhigungsmittel auf den Markt gebracht und Ende 1961 von der Herstellerfirma zurückgezogen wurde, etwa 5.000 Menschen geschädigt. In NRW leben laut dem Landesgesundheitsministerium in Düsseldorf etwa 800 Menschen mit Conterganschäden. © hil/dpa/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.