Ausland
Beschneidungskampagne der WHO in Afrika unter massiver Kritik
Donnerstag, 4. Mai 2017
Berlin – Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sowie Menschenrechtsorganisationen übten heute in Berlin massive Kritik an den von der WHO geförderten Kampagnen für die sogenannte freiwillige medizinische Vorhautbeschneidung von Männern (VMMC – Voluntary Medicine Male Circumcision) in Afrika. „Zu behaupten, Beschneidung schütze vor HIV, ist wahrlich abenteuerlich, und dies so als Präventionsmaßnahme zu bewerben, ist unseriös“, erklärte Ulrich Fegeler vom BVKJ. „Einzig Kondome schaffen Sicherheit gegenüber HIV.“
Die WHO beruft sich bei der Kampagne auf Studien, nach denen das HIV-Risiko um bis zu 60 Prozent sinke, wenn ein Mann beschnitten ist. Die Eichel werde härter und somit weniger leicht verletzbar. Das seit 2007 laufende Programm hat zum Ziel, bis 2021 bei rund 27 Millionen Jungen und Männer in Afrika Beschneidungen durchgeführt zu haben.
Nach Angaben von Max Fish, Gründerin des VMMC-Erfahrungsprojekts, hat die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung Forschungen zu Beschneidung als Mittel gegen Aids finanziert und intensiv beworben.
Das VMMC-Erfahrungsprojekt ist eine Non-Profit-Organisation, die betroffenen Männern in Afrika eine Stimme geben will. „Nach und nach haben sich alle wichtigen Aids-bekämpfenden Organisationen hinter die Beschneidungskampagne gestellt“, berichtete die US-Amerikanerin: UNAIDs, USAID, PEPFAR (President’s Emergency Plan for Aids Relief) und seit Kurzem auch UNICEF.
Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung der Kinder
Mit dem Programm EIMC (Early Infant Male Circumcision) finanziert UNICEF in einigen afrikanischen Ländern Vorhautbeschneidungen von Säuglingen in den ersten beiden Lebensmonaten. „Den Verantwortlichen bei UNICEF ist bewusst, dass damit Kinderrechte verletzt werden“, sagte Christian Bahls, Vorsitzender des Betroffenenverbands MOGIS e.V. „Es ist erschütternd zu sehen, dass aus Kampagnen zur Beschneidung von Erwachsenen, die ja zumindest informiert einwilligen können, wegen des geringen Erfolgs Beschneidungskampagnen von Kindern geworden sind“, kritisierte Bahls. MOGIS setzt sich für Betroffene von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung als Kind ein.
Auch der Kinder- und Jugendarzt Fegeler lehnt die Beschneidung bei nichteinwilligungsfähigen Kindern aus menschenrechtlichen Gesichtspunkten strikt ab. Die häufig ohne Betäubung durchgeführte Prozedur nannte er „barbarisch“. „Säuglinge haben das gleiche Schmerzempfinden wie Erwachsene.“
Der Kenianer Prince Hillary Maloba schaute sich innerhalb des VMMC-Erfahrungsprojekts in Kenia und Uganda die Folgen vor Ort an. Die Beschneidungskampagnen-Partner würden Schulverwaltungen Geld dafür anbieten, kleinen Jungen zu sagen, dass Aids nur unbeschnittene Männer tötet. Beobachtet hat er auch, dass Schüler mit Süßigkeiten und Spielzeug in Lastwagen gelockt würden, die sie zur Beschneidung in umliegende medizinische Zentren führen. „Anschließend werden sie in ihre Dörfer zurückgefahren, ohne medizinische Nachsorge und ohne dass die Eltern informiert waren“, berichtete Prince Hillary Maloba. © pb/aerzteblatt.de

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