Medizin
Morbus Basedow: Teprotumumab vermindert Exophthalmus
Freitag, 5. Mai 2017
Ann Arbor – Der monoklonale Antikörper Teprotumumab, der ursprünglich zur Behandlung von Krebserkrankungen entwickelt wurde, könnte das erste wirksame Medikament zur Behandlung des Exophthalmus beim Morbus Basedow sein, wie die vielversprechenden Ergebnisse einer ersten kontrollierten klinischen Studie im New England Journal of Medicine (2017; 376:1748–1761) zeigen.
Teprotumumab bindet am Rezeptor für den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1), der auf nicht vollständig verstandene Weise die Proliferation von Fibroblasten in der Augenhöhle fördert. Die Vermehrung dieser Zellen ist für das Hervortreten der Augäpfel (Proptosis) verantwortlich, die zusammen mit Tachykardie und Struma die Merseburger Trias des Morbus Basedow bilden. Der Exophthalmus kann durch eine Veränderung der Sehachse einen Strabismus auslösen und infolge des behinderten Lidschlusses zur Schädigung der Hornhaut führen.
Mangels einer spezifischen Therapie werden viele Patienten bisher hochdosiert mit Steroiden behandelt. Weitere Optionen sind eine Bestrahlung oder die operative Dekompression der Augenhöhle, die jedoch nicht immer gelingt und bei einem Misserfolg die Sehstörungen sogar verstärken kann. Teprotumumab könnte deshalb eine therapeutische Lücke füllen, und die ersten klinischen Ergebnisse haben die US-Arzneibehörde FDA bereits bewogen, dem Wirkstoff das Potenzial für einen „Durchbruch“ zuzuschreiben, was die Anforderungen für eine Zulassung deutlich vermindert.
Teprotumumab war ursprünglich von Genmab mit Roche zur Behandlung von Brustkrebs, Lymphomen, Sarkomen und dem nicht kleinzelligen Lungenkrebs entwickelt worden. Roche hatte die klinische Forschung jedoch aufgegeben – wie es heißt aufgrund anderer Prioritäten. Im Jahr 2012 übernahm die Firma River Vision Development die Lizenz, die eigens zur weiteren klinischen Entwicklung von RV001 (Teprotumumab) gegründet worden war und die vorliegende Studie zusammen mit der Firma CMC Biologics aus Kopenhagen durchgeführt hat.
An der Studie nahmen an 15 Standorten in den USA, Deutschland (Universität Mainz), Italien und Großbritannien 88 Patienten teil, bei denen vor durchschnittlich zehn Monaten ein Morbus Basedow diagnostiziert wurde und vor etwa fünf Monaten Augensymptome aufgetreten waren. Die Ophthalmopathie hatte auf einer Skala (Clinical activity score) von 0 bis 7 mindestens 4 Punkte erreicht.
Die Patienten wurden auf eine Behandlung mit Teprotumumab oder Placebo randomisiert. Die Behandlung erfolgte alle drei Wochen als intravenöse Infusion. Die Teprotumumab-Dosis betrug bei der ersten Behandlung 10 mg/kg und danach 20 mg/kg. Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des Clinical activity score um mindestens 2 Punkte sowie eine Reduktion der Proptosis um 2 mm oder mehr.
Wie Terry Smith vom Kellogg Eye Center in Ann Arbor/Michigan und Mitarbeiter jetzt berichten, erreichten in der Teprotumumab-Gruppe 29 von 42 Patienten (69 Prozent) das Ziel gegenüber 9 von 45 Patienten (20 Prozent) in der Placebo-Gruppe. Der Therapieerfolg stellte sich rasch ein: Schon nach sechs Wochen kam es bei 18 von 42 Patienten zur Response (43 Prozent) gegenüber zwei von 45 Patienten (4 Prozent) in der Placebo-Gruppe. Die Unterschiede waren signifikant und sie vergrößerten sich im weiteren Verlauf der Behandlung. Auch in einem Fragebogen zur Lebensqualität von Patienten mit Morbus Basedow war laut Smith ein klarer Vorteil zu erkennen.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Muskelkrämpfe und Durchfälle. Sie waren mit der Ausnahme eines Patienten mit starken Durchfällen mit einer Colitis ulcerosa in der Vorgeschichte jedoch milde. Die Behandlung kann zum Anstieg des Blutzuckers führen, was bei Patienten mit vorbestehendem Diabetes eine Dosisanpassung der Antidiabetika erforderlich machen könnte. Bei jeweils einem Patienten kam es zu einer E. coli-Infektion, mentalen Störungen und einem Harnverhalt, deren Bezug zur Therapie jedoch unklar ist.
Der Hersteller lässt derzeit in einer Fortsetzung der Studie die Langzeitergebnisse prüfen. Eine weitere Studie untersucht den Wert von Teprotumumab bei der diabetischen Makulopathie. © rme/aerzteblatt.de
