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Medizin

Hämatopoetische Stammzellen im Labor gezüchtet

Donnerstag, 18. Mai 2017

dpa

Boston/New York – Zwei Forschergruppen aus den USA ist es erstmals gelungen, hämatopoetische Stammzellen aus körpereigenen Zellen herzustellen. Ein Team griff dabei auf induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) von Menschen zurück (Nature 2017; doi: 10.1038/nature22370), während das andere die blutbildenden Zellen ohne Umwege aus Endothelien von Mäusen kreierte (Nature 2017; doi: 10.1038/nature22326). Das therapeutische Potential für die Stammzelltherapie von Lymphomen und Leukämien ist groß. Es gibt aber auch Risiken.

Seit den 1970er Jahren ist es möglich, Leukämien und Lymphome durch die Über­tragung von hämatopoetischen Stammzellen zu heilen. Die Stammzelltransplantation wird heute auch bei einer Reihe nicht-maligner Bluterkrankungen, etwa die Sichelzell-Anämie, angewendet und ihr Potenzial erstreckt sich mittlerweile auch auf Autoimmunerkrankungen.

Bei malignen Erkrankungen sind die Patienten häufig auf Stammzellspenden gesunder Menschen angewiesen. Diese allogene Stammzelltransplantation ist mangels geeigneter Spender oft nicht möglich und sie birgt wegen drohender Abstoßungs­reaktionen zusätzliche Risiken. Seit zwei Jahrzehnten versuchen Forscher deshalb, hämatopoetische Stammzellen im Labor zu erzeugen. Eine wichtige Voraussetzung wurde 2006 durch den japanischen Forscher Shin’ya Yamanaka geschaffen, der normale Hautzellen in iPS-Zellen zurückverwandelte.

Jetzt ist es einem Team um den Stammzellbiologen George Daley vom Boston Children’s Hospital gelungen, die iPS in hämatopoetische Stammzellen zu differenzieren. Die Forscher verwandelten die iPS in einem ersten Schritt in hämatogene Endothelzellen. Es handelt sich um Vorläufer der Blutstammzellen, die in der embryonalen Entwicklung in der dorsalen Aorta die ersten blutbildenden Zellen sind. Um die Endothelzellen in Blutstammzellen zu verwandeln, benötigten die Forscher die sieben Transkriptionsfaktoren ERG, HOXA5, HOXA9, HOXA10, LCOR, RUNX1 und SPI1. 

Danach wurden die Stammzellen in das Knochenmark von Mäusen transplantiert, wo sie ihre Entwicklung abschlossen und mit der Produktion von Blutzellen begannen. Die Blutzellen waren funktionstüchtig: Die Erythrozyten enthielten Hämoglobin zum Sauerstofftransport, und die B- und Z-Zellen waren in der Lage eine Immunabwehr zu organisieren. Den Forschern konnten die Stammzellen aus dem Knochenmark isolieren und für eine Stammzelltransplantation bei anderen Tieren benutzen.

Einem Team um Shahin Rafii vom Weill Cornell Medical College in New York ist die Produktion von Blutstammzellen ohne den Umweg über die iPS-Zellen gelungen. Ausgangsmaterial waren Endothelzellen von ausgewachsenen Mäusen. Die Forscher benötigten nur vier Transkriptionsfaktoren (FOSB, GFI1, RUNX1 und SPI1).

Das New Yorker Team musste die Zellen auch nicht in andere Tiere transplantieren, um die Entwicklung abzuschließen und mit der Produktion von Blutzellen zu beginnen. Dies geschah in einer zweiten Zellkultur, deren Nährmedium junge Endothelien aus einer Nabelschnur enthielt. Diese Kultur stellte die „vaskuläre Nische“ nach, die im Knochenmark die Entwicklung der Stammzellen abschließt und dafür sorgt, dass sich Stammzellen in die einzelnen blutbildenden Zellen weiter differenzieren. 

Beide Methoden könnten theoretisch für autologe Stammzelltransplantationen bei Leukämien und Lymphomen verwendet werden. Da die Ausgangszellen nicht aus dem potenziell vom Tumor befallenen Gewebe entnommen werden, könnten sich die Heilungschancen deutlich verbessern. Ob und wann die Methoden für den klinischen Einsatz genutzt werden können, lässt sich nicht vorhersagen.

Ein Problem könnte die Verwendung von Retroviren sein, die in den Experimenten benutzt wurden, um die Transkriptionsfaktoren in die Zellen zu schleusen. Außerdem wurde ein genetischer Schalter eingebaut, der die Transkription nach der Gabe des Antibiotikums Doxycyclin startete. Beides führt zu genetisch „verunreinigten“ Stammzellen und die Möglichkeit, dass die Retroviren durch Installation der Gene am falschen Ort ein Tumorwachstum auslösen könnten, steht im Raum. 

Die Bostoner Arbeitsgruppe rechnet nicht mit einer schnellen „Translation“ in die Klinik, die New Yorker Gruppe ist optimistischer (obwohl sie bisher nur Blutstamm­zellen von Mäusen generieren konnte). Rein rechnerisch könnten genügend Stammzellen für eine Transplantation gewonnen werden, meint Rafii und bei den Mäusen seien bisher nach den Behandlungen keine Leukämien aufgetreten. © rme/aerzteblatt.de

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