Medizin
Tiefe Hirnstimulation auch ohne Implantat möglich
Freitag, 2. Juni 2017
Cambridge – Eine neue Methode ermöglicht es, Neuronen im Gehirn im ähnlichen Ausmaß anzuregen wie bei der tiefen Hirnstimulation (THS). Die sogenannte Temporally-interfering-(TI-)Technik verzichtet dabei im Gegensatz zur THS auf Elektrodenimplantate im Gehirn. Die nicht invasive Methode beschreiben die Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) jetzt erstmals am Mausmodell in Cell (2017; doi: 10.1016/j.cell.2017.05.024). Die Methode sei vielversprechend auch für die Anwendung am Menschen, ist sich der Neurologe Alfons Schnitzler von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sicher. Bis zu einem eventuellen Ersatz der THS beispielsweise bei Parkinsonpatienten sei es jedoch noch ein weiter Weg.
Bisherige nicht invasive Verfahren wie etwa die transkraniale Magnetstimulation erreichen nur oberflächliche Neuronen des Gehirns. Um ein Signal in tiefer liegende Regionen zu leiten, ohne eine Elektrode vor Ort zu implantieren, machten sich die MIT-Forscher um Nir Grossman und Edward S. Boyden eine biophysikalische Eigenschaft von Neuronen zu eigen.
Denn Neuronen werden nur erregt, wenn die Frequenz nicht zu hoch ist. Hochfrequente Stimuli können das Nervennetzwerk daher passieren, ohne auf ihrem Weg in tiefere Hirnregionen viele Neuronen anzuregen. Schickt man zwei hochfrequente elektrische Impulse gleichzeitig von zwei Seiten des Kopfes los, treffen diese in einer tiefer gelegenen Hirnregion aufeinander. Dabei kommt es zu einer Interferenz, die aus zwei hochfrequenten Stimuli von 2,01 Kilohertz und 2,00 Kilohertz ein niedrigfrequentes Signal von 10 Hertz resultieren lässt. Dieser elektrische Impuls kann dann am Ort der Interferenz die Neuronen anregen.
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„Die Wirkweise der Interferenz, aus zwei hochfrequenten Signalen ein niedrigfrequentes Signal in einer tiefer gelegenen Hirnregion zu generieren, erscheint plausibel“, sagt Schnitzler dem Deutschen Ärzteblatt. Auch wenn Boyden einräumen muss, dass sie den Mechanismus noch nicht vollständig nachvollziehen können. Die Simulation im Computermodell sowie die Untersuchungen im Phantom und vor allem bei lebenden Mäusen sind sehr überzeugend, erklärt der Düsseldorfer Experte der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung.
Die Forscher konnten die TI-Stimulation so exakt steuern, dass Mäuse ihre rechte Pfote, ihre Schnurrhaare und das Ohr nacheinander bewegten. Zudem stellten die Autoren sicher, dass die neue Methode keine Schäden im Gehirn verursachte. Schon bald wollen die MIT-Forscher TI daher auch bei freiwilligen Menschen testen. © gie/aerzteblatt.de

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