Medizin
EMA prüft levonorgestrelhaltige Hormonspiralen auf psychiatrische Nebenwirkungen
Mittwoch, 14. Juni 2017
Rotterdam – Die Hormonspiralen Mirena, Jaydess, Levosert, Luadei und Kyleena haben eines gemeinsam, das Hormon Levonorgestrel soll eine Schwangerschaft verhindern. Bereits 2009 stand das synthetische Gestagen in Intrauterinpessaren (IUP) unter Verdacht, unerwünschte psychiatrische Nebenwirkungen zu verursachen. Jetzt wird in einer Studie in Psychoneuroendocrinology berichtet, dass IUP-Trägerinnen bei Stress übermäßig viel Cortisol ausgeschüttet haben und ihre Herzfrequenz stärker steigt, als bei hormoneller oraler Verhütung oder bei Frauen ohne Verhütung (2017; doi: 10.1016/j.psyneuen.2017.02.025). Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) prüft derzeit, ob die Angaben zu psychiatrischen Nebenwirkungen auf den Produktinformationen aktualisiert werden müssen.
Trier Social Stress Test
- Antizipationsphase: Die Teilnehmer erhalten den Hinweis, dass sie eine fiktive Stellenbewerbung vor einem Expertenpublikum vortragen sollen. In einer kurzen Vorbereitungszeit können sie sich auf die freie Rede vorbereiten.
- Freie Rede: Von Videos überwacht und aufgezeichnet von einem Tonband sprechen die Teilnehmer vor dem Gremium.
- Rechenaufgabe: Nach der freien Rede müssen die Teilnehmer seriell die Zahl 17 von 2043 subtrahieren. Wer einen Fehler macht, beginnt von vorne.
Quelle: Kirschbaum et al., Neuropsychobiology 1993
In drei unabhängigen Testphasen untersuchten die Forscher um Jurate Aleknaviciute vom Erasmus University Medical Center in Rotterdam die systemische physiologische Stressantwort bei 15 bis 33 Trägerinnen levonorgestrelhaltiger Spiralen (LNG-IUD, 0,02 mg/24 h). Die Kontrollgruppen verhüteten mit einer oralen Antibabypille, die Ethinylestradiol und Levonorgestrel (0,03 mg/0,15 mg; EE30/LNG) enthielt oder nutzten keine hormonellen Kontrazeptiva. Zunächst wurden die Cortisollevel und die Herzfrequenz nach dem Trierer Social Stress Test gemessen (siehe Kasten). Im zweiten Experiment bekamen die Teilnehmerinnen eine Injektion mit dem Adrenocortikotropen Hormon (ACTH), das die Synthese und Ausschüttung des Stresshormons Cortisol aus der Nebennierenrinde stimuliert. Der dritte Studienteil untersuchte Haarproben auf Cortisol.
Alle drei Versuchsansätze zeigten, dass LNG-IUD-Trägerinnen erhöhte Stressantworten aufweisen. Nach dem Trierer Stresstest lagen diese bei den Frauen mit der Hormonspirale bei 24,95 ± 13,45nmol/L, verglichen mit 3,27 ± 2.83 nmol/L bei der Antibabypille und 10,85 ± 11,03 nmol/L bei der Kontrollgruppe, die nicht verhütete. Die maximale Herzfrequenz lag bei LNG-IUD-Trägerinnen bei 38,56 ± 18.14 Schlägen/Minute am höchsten, gefolgt von der EE30/LNG-Gruppe mit 28,24 ± 15,07 Schlägen/Minute und 27,57 ± 12,41 in der Kontrollgruppe.
Frauen mit starken Blutungen haben oft ein erhöhtes Stressprofil
„Diese Ergebnisse weisen auf eine veränderte systemische physiologische Stressantwort bei Trägerinnen levonorgestrelhaltiger Spiralen hin“, erklärt Ludwig Kiesel, Direktor an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Münster. Eine Assoziation zu Stimmungsschwankungen und emotionaler Labilität erlauben diese Resultate jedoch nicht, betont der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) und schließt sich der Einschätzung der Studienautoren an.
Diese Meinung vertritt auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE): „Ob die gestagenhaltigen Spiralen die Ursache für die höhere Stressantwort sind, ist aus den Daten nicht ableitbar, da lediglich eine Querschnittsuntersuchung und kein longitudinaler Verlauf untersucht wurde“, sagt Vanadin Seifert-Klauss, Sektionsbeirat der Sektion Reproduktionsbiologie der DGE. Die nicht randomisierte Beobachtungsstudie berücksichtige nicht die Gründe, aus denen Patientinnen sich für eine gestagenhaltige Spirale (G-IUP) entscheiden. „Häufig sind dies Frauen mit verstärkten Menstruationsblutungen, da G-IUPs diese vermindern. Für starke Blutungen, die 12 Prozent aller Anämien bedingen, sind G-IUPs auch außerhalb der Verhütung als Therapie zugelassen“, erklärt Seifert-Klauss. Ursache der starken Blutungen sei in vielen Fällen eine Östrogendominanz, die unter anderem an stressbedingtem Ausbleiben der Ovulation und einem nachfolgenden Mangel an Progesteron liege.
Experten der EMA werten Studien neu aus
Das Auftreten von „depressiver Stimmung/Depression“ ist bereits in den aktuellen Fach- und Gebrauchsinformationen von Mirena als häufige Nebenwirkung aufgeführt mit mehr als einem Betroffenen von hundert bis zu einem von zehn. Ob die Produktzettel zu levonorgestrelhaltigen Hormonspiralen dennoch korrigiert werden müssen, wird das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) frühestens im Juli 2017 mitteilen, schätzt die EMA. Die Übersicht zur Datenlage, um das Risiko von Levonorgestrel in Hormonspiralen für Angstzustände, Panikattacken, Stimmungsschwankungen und Schlagstörungen einzuordnen, wurde im Februar unter anderem anlässlich einer Petition der Patientinnen-Initiative Risiko Hormonspirale in die Wege geleitet, teilt die EMA auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes (DÄ) mit.
Hierbei werden auch Informationen aus der Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM) zu unerwünschten Nebenwirkungen berücksichtigt. Laut Spiegel sind allein für Mirena mehr als 270 gemeldete Verdachtsfälle von Depressionen, Aggressionen, Nervosität, Schlaflosigkeit, verminderter Libido und Panikattacken gelistet. Bereits 2009 hatte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft aufgrund dieser Datenbankeinträge vor psychiatrischen Nebenwirkungen von Mirena gewarnt.
Mitteilungen: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft „Aus der UAW-Datenbank“ Psychiatrische Erkrankungen als unerwünschte Arzneimittelwirkung von Mirena®
Mirena® ist ein Intrauterinpessar (IUP) mit einem Gestagenreservoir (Wirkstoff: Levonorgestrel), das zur Kontrazeption und zur Behandlung von Hypermenorrhö zugelassen ist (1). In der Fachinformation wird darauf hingewiesen, dass die Patientin vor der Einlage über Risiken bei der Anwendung aufgeklärt werden muss. Dafür hält der Hersteller ein Formular bereit (2), in dem wesentliche unerwünschte
Etwa 2.900 Mirena-Anwenderinnen in den USA klagen
In den USA haben laut dem Quartalsbericht von Bayer bis zum 12. April 2017 bereits etwa 2.900 Mirena-Anwenderinnen Klagen eingereicht. Außerhalb der USA und Kanada sind derzeit etwa 15 Klagen mit Bezug auf Mirena gegen Bayer-Firmen anhängig, teilt Bayer auf Anfrage des DÄ mit. Sie velangen Schaden- und Strafschadenersatz. Jedoch nicht aufgrund psychiatrischer Nebenwirkungen, sondern aufgrund von Gesundheitsschäden, insbesondere Perforation des Uterus, ektopischen Schwangerschaften oder idiopathischer intrakranieller Hypertension. Die Risiken seien dem Pharmakonzern bekannt gewesen und dennoch wurde nicht entsprechend gewarnt, sagen die Kläger.
zum Thema
- Abstract in Psychoneuroendocrinology 2017
- EMA Highlights - Ergebnisse der Überprüfung werden hier publiziert
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Bayer ist hingegen überzeugt, gute Argumente zur Verteidigung gegen die erhobenen Ansprüche zu haben, und beabsichtigt, sich in diesen Verfahren entschieden zur Wehr zu setzen, heißt es im Geschäftsbericht. Das Pharmaunternehmen sieht auch „keinen Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen der Verwendung von levonorgestrelhaltigen Intrauterinsystemen und der Entwicklung von schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankungen.“ Basis für die Bewertung von Bayer sei eine kumulative und detaillierte Analyse sämtlicher Einzelfallmeldungen in der internationalen Bayer-Datenbank für Nebenwirkungsmeldungen, eine Überprüfung der klinischen Studiendaten und die veröffentlichte Literatur zu psychiatrischen Reaktionen im Zusammenhang mit levonorgestrelhaltigen Intrauterinsystemen, teilt Bayer mit. © gie/aerzteblatt.de

Finger weg von Hormonspirale
Ich informierte mich und las nach, dass die Hormonspirale tatsächlich sicherer sei und war einverstanden.
Schon wenige Wochen nach dem Einsetzen ging es mir psychisch schlecht, ich war antriebslos, fühlte mich dauerhaft niedergeschlagen und war oft gereizt. Meine Kinder nervten mich plötzlich nur noch.
Zudem hörte die Schmierblutung nach 4 Monaten immer noch nicht auf.
Ich ging zu meiner Frauenärztin, die anfangs sagte, sie glaube nicht, dass es einen Zusammenhang zwischen meiner psychischen Verfassung und der Hormonspirale gibt.
Ich informierte mich dann im Internet und las erstmals von den Nebenwirkungen, darüber hatte ich mir zuvor gar keine Gedanken gemacht. Ich fand mich in den Schilderungen einiger Frauen wieder und wollte es erst nicht glauben, dass ein Zusammenhang doch möglich ist.
Ich ging wieder zu meiner Ärztin, die mich jetzt ernster nahm. Auf meine Nachfrage bestätigte sie, dass es ihrer Erfahrung nach Patientinnen gibt, die die Hormonspirale frühzeitig wieder entfernen lassen, weil sie sie nicht vertragen.
Inzwischen weiß ich von 2 Frauen, denen es auch sehr schlecht ging nach dem Einlegen der Hormonspirale und die Symptome waren nach dem Entfernen weg.
Nun habe ich die Spirale entfernen lassen und fühlte mich schon nach wenigen Tagen besser.
Ich kann nur davon abraten. Mir wäre einiges erspart geblieben.

KontraIndikation Psychiatrische Erkrankung in Kanada? Oder nur diesbezügliche Warnung?

Hormonspirale
Nachdem ich mich in einem entsprechenden Forum angemeldet und die dortigen Berichte gelesen hatte, war mein nächster Weg zum Arzt um die Spirale entfernen zu lassen. Nach ca. 6 Monaten waren sämtliche Nebenwirkungen verschwunden und sind bis heute nicht mehr aufgetaucht.
Ich kann von dieser Spirale nur abraten.

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