Medizin
Keimschleuder Küchenschwamm: Bakterienkonzentration erreicht Level von Fäkalproben
Donnerstag, 20. Juli 2017
Gießen – Küchenschwämme beherbergen ein Mikrobiom bestehend aus mehr als 360 verschiedene Arten von Bakterien. Unter den häufigsten Erregern befinden sich auch solche, die potenziell pathogen sind, warnen Forscher der Hochschule Furtwangen (HFU), der Justus Liebig-Universität Gießen und dem Helmholtz Zentrum München in einer Studie, die in Scientific Reports erschienen ist (2017; doi: 10.1038/s41598-017-06055-9 1). Den Schwamm heiß auszuwaschen oder in der Mikrowelle zu behandeln, sei keine langfristige Lösung, sagen die Autoren. Sie empfehlen, Küchenschwämme einmal wöchentlich zu entsorgen.
Die Mikrobiologen untersuchten 14 gebrauchte Küchenschwämme aus dem Großraum Villingen-Schenningen. Entdeckt wurden darin 362 verschiedene Arten von Bakterien. „Was uns überrascht hat: Fünf der zehn häufigsten von uns gefundenen Arten gehören in die Risikogruppe 2, das bedeutet sie sind potenziell pathogen“, erläutert Markus Egert von der Hochschule Furtwangen, der die Studie leitete. Dabei handelte es sich um Umwelt- und Wasserbakterien, aber auch um Bakterien, die typisch für die menschliche Haut sind.
Insbesondere bei immungeschwächten Menschen, wie Kranken und Alten, können Bakterien wie Acinetobacter johnsonii, Moraxella osoloensis und Chryseobacterium hominis zu Infektionen führen. Die Übertragbarkeit vom Schwamm auf den Menschen wurde jedoch nicht untersucht. Das sehr häufige nachgewiesene Bakterium Moraxella osloensis steht zudem im Verdacht, schlechten Geruch zu erzeugen, kann also für stinkende Küchenschwämme verantwortlich sein. Fäkalbakterien und Lebensmittelvergifter oder Durchfallerreger hingegen wurden kaum nachgewiesen.
Schwammreinigung führt zu mehr pathogenen Bakterien
Besonders bedenklich: In Schwämmen, die laut ihrer Nutzer regelmäßig gereinigt wurden, etwa in der der Mikrowelle oder durch Auswaschen, zeigten sich deutlich höhere Anteile der potenziell pathogenen Bakterien. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Reinigung von Schwämmen zwar zu einer kurzfristigen Verminderung der Keimzahl führen kann; in den schnell wieder hoch wachsenden Gemeinschaften dominieren dann aber offensichtlich immer stärker die potenziell pathogenen Bakterien, vermutlich aufgrund einer höheren Stresstoleranz.
Teils erreichten die Bakterien Dichten von mehr als 5,4 x 10 10 Keimepro Kubikzentimeter. Das sind Konzentrationen, wie man sie sonst nur noch in Fäkalproben findet. Markus Egert, Hochschule Furtwangen
Küchenschwämme bestehen überwiegend aus Schaumstoff, wie Polyurethan. Ihre durch zahlreiche Poren riesige innere Oberfläche bietet Mikroorganismen viel Platz zum Wachsen. „Teils erreichten die Bakterien Dichten von mehr als 5,4 x 10 10 Keime pro Kubikzentimeter“, erläutert Egert. „Das sind Konzentrationen, wie man sie sonst nur noch in Fäkalproben findet.“ Ein Wert, der in einer Küche nicht erreicht werden sollte. Diese hohen Dichten erklären sich mit den optimalen Lebensbedingungen, die Bakterien im Schwamm finden: Neben der großen Oberfläche zum Aufwachsen viel Feuchtigkeit und viele Nährstoffe, etwa aus Lebensmittelresten und Schmutz. Das Bild- und Filmmaterial der Studie visualisiert die bakterielle Belastung der Küchenschwämme in eindrucksvoller Weise und bietet sich als Lehrmaterial an, um ein Bewusstsein für Küchenschwämme als mikrobielle Inkubatoren im Haushalt zu schaffen.
Küchenschwämme in Krankenhäusern und Altenheimen einmal pro Woche entsorgen
Probleme können sich vor allem in sensiblen Umgebungen ergeben. Etwa in Krankenhäusern, Altenheimen oder bei der privaten Pflege zu Hause, wenn dort Menschen mit geschwächtem Immunsystem leben. Anstatt sie zu häufig zu reinigen, sollten Küchenschwämme aus hygienischen Gründen gerade hier besser regelmäßig entsorgt werden, etwa in einem wöchentlichen Rhythmus. In neu gekauften Schwämmen konnten die Forscher übrigens keinerlei mikrobielle Belastung nachweisen.
In zukünftigen Studien wollen die Forscher untersuchen, welche der potenziell pathogenen Bakterien tatsächlich aktiv oder auch schon tot sind und wie viele Erreger sich auf die geputze Umgebung oder auch die Putzkraft übertragen. © gie/idw/aerzteblatt.de

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