Ärzteschaft
CRISPR/Cas: Ärzte warnen vor unkontrollierten Eingriffen in die Keimbahn
Donnerstag, 3. August 2017
Hannover – Die Ärztekammer Niedersachsen hat vor unkontrollierten Eingriffen in das menschliche Erbgut gewarnt. „Unheilbare genetische Krankheiten bereits im embryonalen Stadium heilen zu können, ist ein großer Fortschritt für die Medizin“, erklärte die Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker heute. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass CRISPR künftig auch für andere Manipulationen am menschlichen Erbgut genutzt werde, so Wenker, die auch Vizepräsidentin der Bundesärztekammer ist.
Hintergrund der Äußerungen sind jüngste Forschungsmeldungen aus den USA. Eine Arbeitsgruppe um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University in Portland hatte laut einem Bericht in der Fachzeitschrift Nature (2017; doi: 10.1038/nature23305) den Gendefekt einer hypertrophen Kardiomyopathie mit der CRISPR/Cas-Methode korrigiert – und die Embryonen dann im Stadium der Blastozyste zerstört.
Hypertrophe Kardiomyopathie: Genom-Editing beseitigt Gendefekt in Embryonen
Portland – US-Forscher haben den Gendefekt einer hypertrophen Kardiomyopathie, einer relativ häufigen angeborenen Störung, die zum plötzlichen Herztod und zur Herzinsuffizienz führen kann, mit der CRISPR/Cas-Methode korrigiert – und die Embryonen dann im Stadium der Blastozyste zerstört. Die Forscher erreichten laut der Publikation in Nature (2017; doi: 10.1038/nature23305) zwar eine (...)
„Weltweit läuft, in vielen Ländern zudem ohne ethische Standards und jede Kontrolle, nun der Wettlauf um die schnellsten Wege zur erfolgreichen weiteren Genmanipulationen an menschlichen Embryonen“, kommentierte Mechthild Löhr, Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), die Forschungsergebnisse. Auch wenn die Hauptargumentation immer eine angestrebte Verhinderung oder Beseitigung von bestimmten Erbkrankheiten sei, gehe es doch im Kern bei dieser Gentechnik um die Schaffung eines neuen Menschen, um Designerbabys, die ganz bestimmte Merkmale tragen oder nicht haben sollen, so Löhr.
„Immer mehr wird in der aktuellen reproduktionsmedizinischen Forschung bis hin zur Keimbahn-Manipulation deutlich, dass die Unantastbarkeit und die Würde jedes menschlichen Embryos heute radikal zur Disposition gestellt wird und der einzelne Embryo nur noch als ein genetisches ‚Vor-Produkt‘ oder ‚Material‘ im Labor angesehen wird, das bestimmte Produkteigenschaften zu erfüllen hat, da er sonst beseitigt wird“, sagte die CDU-Politikerin.
Warnung vor dem unreflektierten Einsatz
Gisbert Voigt, niedergelassener Kinderarzt und Vorstandsmitglied der Ärztekammer Niedersachsen, warnt ausdrücklich vor dem unreflektierten Einsatz der Gen-Schere. Ohne Kontrollen seien der Manipulation Tür und Tor geöffnet, sagte er. Mit der Gen-Schere könnten nicht nur Krankheiten bereits im embryonalen Stadium korrigiert, sondern auch bestimmte Eigenschaften des zukünftigen Kindes implementiert werden, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Kommission Nord für Präimplantationsdiagnostik (PID).
„In der jetzt ermöglichten PID wird bei bekannten genetischen Defekten die Möglichkeit eröffnet, gesunde Embryonen auszuwählen und zu verhindern, dass erkrankte Embryonen implantiert werden – ohne eine vergleichbare Prüfung darf es keine Eingriffe in die Keimbahn geben“, betonte Voigt.
Deutsches Ärzteblatt print
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aerzteblatt.de
CRISPR/Cas hat sich in den vergangenen Jahren zum führenden Verfahren für das „Genom-Editing“ entwickelt. Die Methode kombiniert ein RNA-Molekül, das an einem bestimmten Abschnitt der DNA bindet, mit einem Enzym, das an dieser Stelle den DNA-Doppelstrang zerschneidet. Der Defekt wird dann von zelleigenen Enzymen repariert. Normalerweise nutzen sie die nicht homologe Endverknüpfung („Non-homologous end-joining“, NHEJ). Dabei werden die beiden DNA-Enden direkt miteinander verbunden, was zu einer Verkürzung und zu einer Veränderung der Gensequenz führt.
Unterdessen haben sich elf große Wissenschaftsorganisationen in den USA gemeinsam für eine „vorsichtige, aber engagierte Herangehensweise“ bei der gentechnischen Veränderung menschlicher Embryonen ausgesprochen. Einen solchen Embryo in eine Frau einzusetzen und somit eine Schwangerschaft herbeizuführen, sei „derzeit unangemessen“, schreiben die Organisationen heute in der Fachzeitschrift The American Journal of Human Genetics. Es gebe aber keinen Grund, eine Genveränderung im Reagenzglas „mit angemessener Aufsicht und Zustimmung“ zu verbieten. © hil/aerzteblatt.de

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