Medizin
Babys erlernen Wortbedeutungen im Schlaf
Donnerstag, 10. August 2017
Leipzig – Während des Schlafes vollziehen sich im Gehirn von Babys bedeutsame Prozesse: Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig haben nun herausgefunden, dass es Babys im Schlaf bereits im Alter von sechs bis acht Monaten gelingt, Wörtern eine Bedeutung zuzuordnen – eine Fähigkeit, die den Forschern zufolge bisher nur von älteren Kindern und Erwachsenen bekannt war. Die Forscher publizierten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Current Biology (2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.06.070).
Untersucht haben die Wissenschaftler diese Zusammenhänge, indem sie sechs bis acht Monate alte Babys Fantasieobjekte lernen ließen und diese mit Fantasiewörtern, wie „Bofel“ oder „Zuser“ benannten. Dabei wurden Objekte, die sich jeweils nur leicht in Form und Farbe unterschieden, mit dem gleichen Namen benannt. Ganz so wie alle Katzen als „Katze“ bezeichnet werden, auch wenn sie sich im Detail unterscheiden. Diese erfundenen Objekte und Namen wählten die Forscher, um sicherzugehen, dass die kleinen Studienteilnehmer nicht auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen konnten.
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Anhand der kindlichen Hirnreaktion zeigte sich, dass die Babys in dieser Lernphase neue Objekte der gleichen Kategorie noch nicht mit den entsprechenden Namen verbanden. Sie sahen also einen neuen Bofel nicht als „Bofel“ an, obwohl er den bisherigen Bofel-Objekten sehr ähnlich sah. Für die Babys war jedes neue Objekt-Wort-Paar noch unbekannt und einzigartig, sie erkannten die allgemeine Beziehung der ähnlichen Paare nicht.
Das änderte sich jedoch nach einem Mittagsschlaf. Bei Babys, die nach der Lernphase geschlafen hatten, konnte das Gehirn in der anschließenden Testphase zwischen den richtigen und falschen Benennungen neuer Objekte unterscheiden. Sie hatten also während des Schlafes Wissen verallgemeinert. Babys, die wach geblieben waren, gelang das nicht.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kinder bereits deutlich früher als bisher angenommen über echte Wortbedeutungen in ihrem Langzeitgedächtnis verfügen. Auch wenn die für diese Gedächtnisform relevanten Hirnstrukturen noch nicht vollständig ausgereift sind, können sie schon in gewissem Umfang genutzt werden“, erklärte Angela Friederici, Direktorin am MPI CBS und Seniorautorin der zugrundeliegenden Studie.
Erst im Schlaf, wenn das kindliche Gehirn von der Außenwelt abgekoppelt sei, könne es die wesentlichen Zusammenhänge herausfiltern und speichern. „Nur im Zusammenspiel aus wachem Erleben und den ordnenden Prozessen während des Schlafes können sich die frühen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten entwickeln“, so Studienleiterin Manuela Friedrich. © hil/aerzteblatt.de

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