Medizin
Schmerztherapie: Elektrotherapie vermeidet, Akupunktur verzögert Opiate nach Knie-TEP
Donnerstag, 17. August 2017
Palo Alto – Die Opiat-Epidemie hat in den USA das Interesse an nicht pharmakologischen Therapien geweckt. Nach einer Knieendoprothese (Knie-TEP) bieten sich laut einer Meta-Analyse in JAMA Surgery (2017; doi: 10.1001/jamasurg.2017.2872) eine Elektrotherapie und/oder eine Akupunktur an. Für Kryotherapie, präoperative Übungen und postoperative Physiotherapie ist die Beweislage nicht eindeutig.
Die Knie-TEP, mittlerweile weltweit einer der häufigsten chirurgischen Eingriffe, ist für die meisten Patienten mit intensiven postoperativen Schmerzen verbunden. Starke Opiate sind ein probates Mittel, das jedoch leicht zu einer Abhängigkeit der Patienten führen kann, wie in den USA viele Patienten folgenschwer erfahren mussten.
Sie fragen deshalb nach nicht pharmakologischen Schmerztherapien, die den Einsatz von Opiaten verringern könnten. Die klinische Datenlage ist alles andere als eindeutig, wie ein Team um Tina Hernandez-Boussard von der Stanford Universität in Palo Alto bei der Sichtung und Auswertung von 39 randomisierten klinischen Studien erfahren musste, an denen insgesamt 2.391 Patienten teilnahmen.
Die Studien hatten die häufigsten verwendeten nicht pharmakologischen Behandlungen untersucht: die kontinuierliche passive Bewegungsbehandlung, präoperative Übungen, Kryotherapie, Elektrotherapie und Akupunktur.
Nicht pharmakologische Behandlungen im Vergleich
Am besten belegt ist laut Hernandez-Boussard der Nutzen von Elektrotherapie und Akupunktur. Die Elektrotherapie versucht den Schmerz durch elektrische Impulse auf periphere Nerven zu lindern. Die Wirkung der Akupunktur kommt nach heutiger Einschätzung eher über zentralnervöse Effekte zustande.
Die Elektrotherapie senkte die Opioiddosis in den Studien im Mittel um 3,50 Morphin-Äquivalente in Milligramm pro Kilogramm über 48 Stunden. Die Akupunktur war dagegen in der Lage, den Zeitpunkt bis zur ersten Opiatgabe (patientenkontrollierte Analgesie) um im Mittel 46,17 Minuten hinauszuzögern. Die Gesamtdosis der Opiate wurde dagegen nicht signifikant gesenkt. Auch die analgetische Wirkung der Akupunktur war begrenzt. Auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 10 mm bewerten die Patienten die Schmerzlinderung im Mittel nur mit 1,14 mm.
Kryo- und Physiotherapie bringen nur geringfügige Schmerzlinderung
Die Kryotherapie, also die Anwendung von Kälte auf dem operierten Knie, verminderte die Opioiddosis in den klinischen Studien nur um 0,13 Morphin-Äquivalente in Milligramm pro Kilogramm über 48 Stunden. Auf der visuellen Analogskala betrug die Schmerzlinderung nur 0,51 mm. Für Hernandez-Boussard ist fraglich, ob dies eine klinisch relevante Linderung ist.
Eine Kryotherapie ist jedoch kostengünstig und bei einer gewissen Vorsicht auch komplikationslos. Beides kann von der kontinuierlichen passiven Bewegungsbehandlung nicht unbedingt behauptet werden. Die Physiotherapie ist personalintensiv und bei nicht sachgemäßer Durchführung nicht ohne Risiken. Umso überraschender ist, dass die Wirkung nicht sicher durch randomisierte Studien belegt ist. Die Reduktion des Opiatverbrauchs betrug zwar im Mittel 6,58 Morphin-Äquivalente, doch das 95-Prozent-Konfidenzintervall reichte von minus 6,33 bis plus 19,49. Das Signifikanzniveau wurde damit verfehlt, ein Nutzen damit nicht sicher belegt. Die Schmerzlinderung war mit 0,05 mm minimal (und ebenfalls nicht signifikant). Die Ergebnisse der Studie bedeuten nicht, dass die Physiotherapie unwirksam ist. Es besteht jedoch Bedarf an weiteren klinischen Studien.
Auch für die präoperativen Übungen, die den Patienten auf den Stress der Operation vorbereiten sollen, gibt es laut Hernandez-Boussard keine überzeugenden Wirkungsbelege. Auf der WOMAC-Skala, die neben den Schmerzen auch Funktionseinschränkungen bewertet, kam es nur zu einer minimalen, nicht signifikanten Verbesserung. © rme/aerzteblatt.de

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