Medizin
Zeit, Geschlecht, Herkunft: Was die Empathiefähigkeit von Ärzten beeinflusst
Freitag, 25. August 2017
Oxford – Empathie gegenüber dem Patienten kann den Heilungsverlauf beschleunigen. Nach einer Meta-Analyse in BMC Medical Education (2017; 17: 136), zeigen Ärzten, die sich Zeit für ihre Patienten nehmen, mehr Mitgefühl als kurz angebundene Kollegen. Frauen werden von den Patienten besser beurteilt und die Mediziner in angelsächsischen Ländern scheinen häufiger den richtigen Ton zu treffen als deutsche Mediziner.
Die kurative Wirkung von Empathie ist mittlerweile durch randomisierte kontrollierte Studien belegt. Jeremy Howick von der Universität Oxford und Mitarbeiter können auf Studien verweisen, in denen die Patienten weniger Schmerzen und Angst angaben, wenn sie ihren Arzt als besonders einfühlsam empfunden hatten. Das kann an der Persönlichkeit des Arztes liegen oder auch daran, dass die Patienten ihre Medikamente zuverlässiger einnehmen, wenn der Mediziner bei seinen Therapieempfehlungen die Sichtweise seiner Patienten verstanden und auf ihre Bedürfnisse eingegangen ist.
Die Empathiefähigkeit des Arztes ist inzwischen zum Forschungsgegenstand geworden. Mit dem CARE-MEASURE (Consultation and Relational Empathy) gibt es ein Instrument, mit dem die Patienten die Empathiefähigkeit ihres Arztes beurteilen können. Der 10-Punkte-Fragebogen erkundet sich danach, ob die Patienten sich beim Arzt wohl gefühlt haben, ob sie ihre „Geschichte“ ohne unterbrochen zu werden vortragen konnten, ob der Arzt wirklich zugehört habe, ob er sie als ganze Person wahrgenommen und ob er ihre Bedenken verstanden habe.
Ob er Sorge und Mitgefühl gezeigt habe, ihnen positiv begegnet sei, die Dinge klar erläutert habe, sind weitere Gegenstände des Fragenkatalogs, der sich abschließend erkundigt, ob der Arzt das Problem lösen und zusammen mit dem Patienten einen Plan entworfen habe. Zu jeder Frage sind fünf Antworten möglich (schlecht, mäßig, gut, sehr gut oder ausgezeichnet), was pro Frage maximal 5 und im Gesamtscore 50 Punkte ergibt.
Howick hat zusammen mit Forschern der LMU München, der Universität und der Hochschule Coburg 64 Studien aus 15 Ländern ausgewertet, in denen untersucht wurde, welche Faktoren einen empathischen Arzt beschreiben. Einen wichtigen Einfluss hat die Dauer der Konsultation: Ärzte, die sich zehn Minuten oder länger Zeit nahmen, erzielten im Durchschnitt 7,67 mehr Punkte. Ärztinnen kamen um 7,92 Punkte besser an als ihre männlichen Kollegen.
In der „Länderwertung“ belegte Australien mit 44,88 Punkten den ersten Rang vor den USA (44,56 Punkte) und Großbritannien (43,07 Punkte). Am schlechtesten bewertet wurden Mediziner aus Hongkong (33,46 Punkte). Ärzte aus Deutschland belegten mit 40,72 Punkten vor China mit 40,61 einen mittleren Rang.
Das medizinische Hilfspersonal (also Arzthelferin, MTA etc.) hatte mit 45,29 Punkten den besten Draht zu den Patienten, Medizinstudierende wurden mit 41,35 Punkten als emphatischer erlebt als ausgebildete Ärzte (39,98 Punkte). Auch Ärzte der traditionellen chinesischen Medizin (42,98) entwickeln häufiger das nötige Mitgefühl.
In einigen Fällen scheint den Ärzten die Empathiefähigkeit im Verlauf ihrer Laufbahn verloren zu gehen, vermuten die Autoren. Könnte dies an der Belastung durch bürokratische Arbeiten liegen, fragen sie. Ein Viertel ihrer Arbeitszeit müssen Therapeuten heute für Schreibtätigkeiten und Protokolle verwenden. Da bleibe der persönliche Kontakt zu den Patienten vielleicht auf der Strecke. © rme/aerzteblatt.de

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