Politik
Kassen sparen jährlich Milliarden durch Arzneimittel-Festbeträge
Donnerstag, 14. September 2017
Berlin – Die Krankenkassen sparen durch Arzneimittel-Festbeträge pro Jahr rund 7,8 Milliarden Euro. Darauf hat heute der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) anlässlich einer Jahresbilanz zu den Festbeträgen hingewiesen.
„Mit diesem Instrument wird ein wirksamer Preiswettbewerb gefördert, ohne dass die therapeutisch notwendige Arzneimittelauswahl und die Versorgungsqualität eingeschränkt werden“, erklärte der unparteiische Vorsitzender des G-BA, Josef Hecken. Diese Einsparungen könnten an anderer Stelle zur Finanzierung der stetig steigenden Leistungsausgaben eingesetzt werden und seien kein Selbstzweck, sondern nützten sowohl den Kranken als auch den Beitragszahlern.
„Der G-BA ist durchgängig aktiv bei der Neubildung und Aktualisierung von Festbetragsgruppen für Arzneimittel. Im Jahr 2016 wurden 21 Verfahren abgeschlossen, im laufenden Jahr acht“, so Hecken. Im vergangenen Jahr wurden zum Beispiel Gruppen mit Wirkstoffen zur Behandlung des Morbus Parkinson und zur Behandlung des erhöhten Augeninnendrucks gebildet. Zurzeit laufen im G-BA 15 Verfahren zu Festbetragsgruppen. Eines davon beziehe Biosimilars ein, also Nachfolgeprodukte von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln. Darüber hinaus befänden sich derzeit auch Festbetragsgruppen für das Indikationsgebiet Osteoporose im Stellungnahmeverfahren.
Hecken betonte, der G-BA achte sehr genau darauf, „dass Therapiemöglichkeiten für Patienten nicht eingeschränkt werden und notwendige Versorgungsalternativen zur Verfügung stehen“. Die vonseiten der Industrie und deren Interessenvertretern konstant geäußerten Bedenken hinsichtlich einer Gefährdung der Patientenversorgung durch neue Festbetragsgruppen erweisen sich am Ende regelmäßig als haltlos“, so der G-BA-Vorsitzende. Auch innerhalb der Festbetragsgruppen hätten Ärzte immer die Wahl zwischen verschiedenen therapeutischen Alternativen, die sie zulasten der Krankenkassen verschreiben könnten.
Festbeträge sind Preisobergrenzen für Arzneimittel, bis zu denen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) diese Medikamente erstattet. Der G-BA ist vom Gesetzgeber damit beauftragt, Gruppen von Arzneimitteln zu bilden, für die Festbeträge gelten sollen.
Der GKV-Spitzenverband legt die Höhe des Festbetrags für diese Gruppe fest. Die Bildung einer Festbetragsgruppe ist nur dann möglich, wenn mehrere therapeutisch vergleichbare Präparate zugelassen und am Markt sind. Das können nicht nur Arzneimittel mit gleichen Wirkstoffen sein (Stufe 1), sondern auch solche, die pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar sind (Stufe 2) oder eine therapeutisch vergleichbare Wirkung haben, insbesondere Arzneimittelkombinationen (Stufe 3).
Beide Schritte – die Gruppenbildung durch den G-BA und das Festsetzen des Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband – führen dazu, dass die günstigsten Arzneimittel in der Festbetragsgruppe einen Preisdruck nach unten auslösen. Hersteller orientieren sich mit ihren Preisen üblicherweise am Festbetrag, sind zu einer Absenkung jedoch nicht gezwungen. Kosten die Medikamente mehr als die Vergleichspräparate der Festbetragsgruppe, müssen die Patienten die Differenz in der Regel selbst bezahlen.
Kritik kam unterdessen vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). Der bemängelte heute, die Festbeträge beeinflussten die Versorgungsqualität der Patienten negativ. „Besonders kritisch ist es, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss den Willen des Gesetzgebers nicht beachtet – wie jüngst bei der Festbetragsgruppenbildung für das Reserveantibiotikum Linezolid“, kritisierte BAH-Hauptgeschäftsführer Martin Weiser. Der Gesetzgeber habe mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz bewusst eine Sonderregelung für Reserveantibiotika aufgenommen. „Hier ist also im Hinblick auf die Versorgungsqualität noch viel zu tun“, erklärte Weiser.
Dem BAH zufolge reichten die Festbetragsregelungen zudem nicht aus, um eine patientenrelevante Weiterentwicklung von bekannten Wirkstoffen angemessen zu fördern. Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen würden trotz therapierelevanter Weiterentwicklungen – beispielsweise von altersgerechten Arzneimittelformen – bestehenden Festbetragsgruppen zugeordnet, so der Vorwurf des BAH. „Wir sehen die Gefahr, dass Arzneimittelhersteller entsprechende Präparate nicht mehr entwickeln und diese folglich auch nicht mehr für Patienten zur Verfügung stehen“, sagte Weiser.
Mit Unverständnis reagierte auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Der forderte, dass sich der Zuschnitt von Festbetragsgruppen an der Versorgung orientiert. Indikationen, Besonderheiten des Therapiegebietes und patientenrelevante Unterschiede in der Darreichungs- und Applikationsform müssten bei der Bildung von Festbetragsgruppen berücksichtigt werden, so der BPI. „Das Festbetragssystem bietet dafür Spielräume – die vom G-BA bei der Bildung von Festbetragsgruppen immer weniger genutzt werden“, so der Verband. © hil/may/aerzteblatt.de

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