Medizin
Frankreich: Patienten siegen im Streit um Schilddrüsenhormone
Montag, 2. Oktober 2017
Paris – Die französische Regierung hat auf den Druck der Öffentlichkeit hin den Hersteller Merck gebeten, das Präparat Levothyrox wieder einzuführen, das er zuvor auf Wunsch der Arzneimittelbehörde ANSM durch das Präparat Euthyrox ersetzt hatte. Beide Präparate unterscheiden sich nur in den Zusatzstoffen, nicht aber in der Konzentration des Wirkstoffs L-Thyroxin.
Die Arzneimittelbehörde ANSM hatte Merck gebeten, Levothyrox vom Markt zu nehmen, da die Freisetzung des Hormons aus der Tablette stark variieren kann. Merck war dem Wunsch nachgekommen und hatte im März Levothyrox durch Euthyrox ersetzt. Das neue Präparat enthält als Zusatzstoffe Mannitol und Zitronensäure statt Laktose. Dies soll die Haltbarkeit des Präparates verbessern, damit über die gesamte Zeit der Lagerfähigkeit eine möglichst identische Menge des aktiven Hormons in den Tabletten enthalten ist.
Schon bald nach dem Wechsel, der mit einem neuen Namen und einer veränderten Schachtel verbunden war, häuften sich jedoch die Beschwerden der Patienten, (nicht nur) in Frankreich zu 80 Prozent Frauen. Berichtet wurde über Haarausfall, Gewichtszunahme, extreme Müdigkeit, Kopfschmerzen, Durchfall oder erhöhte Herzfrequenzen, mithin alles Symptome, die zu einer Funktionsstörung der Schilddrüse passen.
Es kam nicht nur zu etwa 9.000 UAW-Meldungen. Auch die Presse griff das Thema auf, und am Ende hatten fast 300.000 Personen eine Petition unterzeichnet, die die Regierung zur Wiedereinführung des alten Präparates aufforderten.
Zu der Verzweiflung der Patienten trug bei, dass Merck der einzige Anbieter von Schilddrüsenhormonen in Frankreich ist. In den Medien wurde schon bald darüber spekuliert, ob der Hersteller den Wechsel (der auf Druck der Behörde ANSM erfolgt war), in Wirklichkeit aus Kostengründen durchgeführt habe, da das neue Präparat sicherlich in China produziert werde – es wird in Wirklichkeit weiter in Europa produziert.
Am 15. September lenkte die Gesundheitsministerin Agnès Buzyn ein. Ihr Ministerium gab bekannt, dass die Patienten künftig zwischen beiden Präparaten frei wählen könnten. Der Hersteller wurde aufgefordert, Levothyrox innerhalb von vier Wochen wieder verfügbar zu machen und Merck hat dem Vernehmen nach dies auch versprochen.
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Die ANSM beeilte sich, die Ergebnisse der Bioäquivalenz-Studie auf seinen Internetseiten (als PDF von eilig angefertigten Fotokopien) zu veröffentlichen. Die Untersuchung liefert nach Ansicht der Experten keine Hinweise, die die Beschwerden der Patienten erklären könnten.
Einige Beobachter fühlten sich an die „Eltroxin-Affäre“ erinnert, die 2007 in Neuseeland zu Patientenprotesten geführt hatte. Damals hatte GlaxoSmithKline, seit 1973 alleiniger Anbieter von Schilddrüsenhormonen im Land, die Formulierung von Eltroxin verändert und die Produktion von Kanada nach Deutschland verlagert. Die Folge waren neue Tabletten von anderer Farbe und Größe, die nach Ansicht vieler Patinnen anders schmeckten und deren Einnahme ebenfalls mit Symptomen einer Überfunktion der Schilddrüse verbunden waren.
Auch damals musste die Regierung klein beigeben. Auf Drängen der besorgten Patienten wurden zwei weitere Präparate eingeführt. In der Folge gingen die Beschwerden – auch zum neu eingeführten Eltroxin – wieder zurück. © rme/aerzteblatt.de

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