Politik
Strittige Fragen bei Gesundheit: Mögliche Jamaika-Regierung steht auf der Kippe
Dienstag, 14. November 2017
Düsseldorf – Ob eine Bundesregierung aus CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen kommen wird, ist momentan äußerst fraglich. Das wurde bei der Medizinfachmesse Medica deutlich. „Ich hoffe, dass Jamaika klappen wird, weil ich glaube, dass der Schaden sonst sehr groß sein wird. Aber im Moment bin ich sehr skeptisch“, sagte Maria Klein-Schmeink zum aktuellen Stand der Sondierungsgespräche in Berlin.
„In umweltpolitischen Fragen, die gerade uns sehr wichtig sind, sind wir nicht weitergekommen. Wir liegen da noch sehr weit auseinander“, erklärte die bisherige gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. „Am weitreichendsten einig sind wir uns in der Gesundheit.“ Aber auch dort seien in dieser letzten Sondierungswoche „noch dicke Bretter zu bohren“, dämpfte Klein-Schmeink voreilige Hoffnungen.
Sie nannte als Beispiele das Versandhandelsverbot für Arzneimittel, die Frage, wer im Zuge der Digitalisierung welche Daten eines Patienten einsehen und zu ihnen Zugang haben dürfe, und die stabile und nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens. „Es kann nicht mehr sein, dass es so ist, wie in der letzten Legislaturperiode, dass alles an Mehr nur von den Versicherten alleine getragen werden muss“, sagte sie und forderte, zur früheren paritätischen Finanzierung des Gesundheitswesens durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückzukehren. „Wir können nicht vor unsere Mitglieder treten und sagen: es geht alles so weiter wie bisher. Das geht nicht.“
Sofortprogramm für die Pflege
Einig seien sich die Fraktionen, dass ein „Sofortprogramm“ zur Verbesserung der Situation in der Alten- und Krankenpflege aufgelegt soll. „Was die letzte Koalition gemacht hat, war nicht falsch. Sie hat die Probleme aber nicht gelöst.“ Die „Stimmung“ in der Pflege sei nach wie vor schlecht, egal ob in Krankenhäusern oder in Pflegeheimen. Junge Menschen, die eine Ausbildung in der Pflege machen, äußerten Klein-Schmeink zufolge, dass sie sich nicht vorstellen könnten, zehn Jahre oder länger in der Pflege tätig zu sein.
Daher müsse die tarifliche Vergütung besser werden, Teilzeittätigkeit soll einfacher in Vollzeittätigkeit geändert werden können, wenn es von den Pflegekräften gewollt ist, und ihre Fort- und Weiterbildung soll gefördert werden. Darüber hinaus sollen 25.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden und dementsprechend ein Plus von 1,3 Milliarden Euro in die Pflege fließen.
„Das ist unsere Antwort auf die Mindestpersonalvorgaben und die 6.000 zusätzlichen Stellen aus der letzten Legislaturperiode“, erläuterte die Politikerin der Grünen. Uneinig seien sich die Fraktionen allerdings über die Finanzierung des Sofortprogramms. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das zu Lasten der Kranken und Pflegebedürftigen geht.“ Eine solche Regelung birgt nach Ansicht Klein-Schmeinks „sozialen Sprengstoff“, wenn nur derjenige eine bessere Versorgung bekommt, der sie auch bezahlen kann.
Künftige Koalition will bei Klinikinvestitionen handeln
Handeln wollen die möglichen künftigen Koalitionspartner auch bei der Förderung von Investitionen der Krankenhäuser, denn „trotz umfangreicher Bund-Länder-Befassung“ sei in der vergangenen Legislaturperiode keine Lösung für das Problem der mangelnden Förderung gefunden worden. „Wir hören aus vielen Regionen, dass es Versorgungsdefizite gibt. Wir hören von Problemen in der Notfallversorgung und in der Geburtshilfe“, schilderte Klein-Schmeink. Sie betonte: „In diesen Bereichen wollen wir handeln.“
Dazu gehöre auch eine Anschubfinanzierung von einer Milliarde Euro für den Ausbau der Digitaltechnologie, um zum Beispiel die elektronische Patientenakte und die Telemedizin voranzubringen. „Wir sind uns einig, dass wir da Lösungen finden müssen und die können nicht nur durch den Beitragszahler finanziert werden, sondern da müssen auch Steuermittel reinfließen.“
Eine Regelung, die zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen (NRW) gut ankommt. „Wir fordern seit langem, neben der Baupauschale eine Einzelfallförderung möglich zu machen“, sagte Peter Preuss (CDU). „Und wenn wir dafür Mittel vom Bund bekommen, dann hätten wir die Landesmittel für andere Zwecken frei“, freute sich der Sprecher des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales im NRW-Landtag.
Sektorenübergreifende Notfallversorgung extrabudgetär vergüten
Weitgehend Konsens soll in den Berliner Sondierungsgesprächen zu einer möglichen schwarz-gelb-grünen Koalition darüber bestehen, dass Notfallpatienten künftig sektorenübergreifend versorgt werden. „Wir können das nicht den Krankenhäusern überlassen“, ist Klein-Schmeink überzeugt. Schließlich werde die Notfallversorgung von der Bevölkerung als etwas ganz Wichtiges wahrgenommen. Und schon jetzt sei der Aspekt, dass sich Menschen in ländlichen Regionen von der Notfallversorgung abgehängt fühlen, nicht zu akzeptieren. „Wir brauchen ein Hybrid aus ambulant und stationär und werden das mit einem eigenen Budget unterlegen müssen“, sagte sie.
Klein-Schmeink zeigte sich zuversichtlich, dass das klappen kann. „Wir werden viel Gemeinsames hinkriegen, wie sich das in den Gesprächen anhörte.“ Bei der sektorenübergreifenden Notfallversorgung sprach sich die Bundestagsabgeordnete der Grünen auch dafür aus, „den Mut zu haben, unter Umständen gegen den Widerstand der Fachverbände Vorschläge zu machen“. Schließlich gehe es darum, Lösungen für den ambulanten und den stationären Sektor gleichermaßen zu schaffen, die vor allem den Patienten nutzen.
Dabei sei im Hinblick auf den demografischen Wandel vor allem das Vorhalten „klarer Strukturen“ wichtig, in denen sich ältere Menschen zurechtfinden. Wer Träger der sektorenübergreifenden Notfallversorgung sein soll, sei vollkommen offen. „Das kann bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, beim Krankenhausträger oder auch gemeinsam von beiden getragen werden.“ Die Entscheidung darüber könne dann im sogenannten 90a-Gremium auf Landesebene gefällt werden, erläuterte Klein-Schmeink.
Die Medizinfachmesse Medica geht noch bis einschließlich Donnerstag, dem 16. November 2017. Sie widmet sich nicht nur technischen Innovationen, sondern in Foren und Konferenzen auch Themen aus der Gesundheitspolitik und der Gesundheitswirtschaft. © ts/aerzteblatt.de

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