Politik
IGeL-Monitor: Hirnleistungs-Checks „tendenziell negativ“
Dienstag, 5. Dezember 2017
Essen – Welchen Nutzen oder Schaden Menschen erwarten können, wenn sie ihre geistige Leistungsfähigkeit mit einem Hirnleistungs-Check abklären lassen, wollten die Wissenschaftler des IGeL-Monitors herausfinden. Allerdings fanden sie keine Studien zu ihrer Fragestellung.
Im Ergebnis fällt die Bewertung des IGeL-Monitors, hinter dem der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (MDS) steckt, für Menschen ohne Symptome mit „tendenziell negativ“ aus. Schäden durch unnötige Beunruhigung und unnötige Therapien seien unausweichlich, da sich jede zweite leichte Demenz ohnehin nicht zu einer schweren Demenz weiterentwickele, begründen die Autoren ihre Bewertung.
Zur Diagnose einer Demenz kommen mehrere Verfahren zum Einsatz, darunter auch Hirnleistungs-Tests, die verschiedene geistige Fähigkeiten mit Aufgaben überprüfen. Darüber hinaus werden Hirnleistungs-Tests auch als IGeL-Leistung angeboten, und zwar mit dem Versprechen, bislang unbemerkte, frühe Anzeichen einer Demenz zu erkennen. Ein solcher Test kostet laut IGeL-Monitor in der Regel zwischen sieben und 21 Euro.
Leitlinie rät von allgemeinem Screening ab
Die aktuelle S3-Leitlinie „Demenzen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) rät von einem allgemeinen Screening bei beschwerdefreien Personen ab. „Aufgrund der geringen positiven prädiktiven Wertigkeit der heute verfügbaren kognitiven Tests, der mangelnden Spezifität apparativer Verfahren und der unklaren individuellen prognostischen Wertigkeit wird ein Screening aktuell nicht empfohlen, da es zu einer hohen Anzahl an falsch-positiven Diagnosen beziehungsweise Verdachtsdiagnosen kommen würde“, heißt es in der Leitlinie.
Eine Untersuchung kognitiver Leistungen bei Personen ohne spezifische Beschwerden, aber mit hohem Risiko für kognitive Beeinträchtigungen beziehungsweise Demenzen, die bereits im medizinischen Versorgungskontext sind, zum Beispiel im Rahmen eines geriatrischen Assessments, könne aber sinnvoll sein, um weitergehende diagnostische und therapeutische Maßnahmen einzuleiten, so die Leitlinienautoren.
Klare Differenzierung
„Screening von gesunden und beschwerdefreien Personen ist allerdings grundlegend von Frühdiagnostik bei Personen mit Symptomen zu unterscheiden“, betonen die Autoren der Leitlinie. Eine frühzeitige Diagnostik und Diagnosestellung bei Personen mit Symptomen wird ausdrücklich empfohlen.
Die Autoren des IGeL-Monitors argumentieren im Weiteren jedoch, die derzeit verfügbaren Arzneimittel könnten in einer frühen Phase der Krankheit die geistigen, körperlichen und Verhaltens-Einschränkungen der Patienten nicht aufhalten. „Es scheint demnach keinen Vorteil zu bringen, die Behandlung möglichst früh zu beginnen. Es bringt folglich auch keinen Vorteil, früh danach zu suchen“, so ihre Argumentation.
Die Autoren der S3-Leitlinie schreiben dagegen: „Die Diagnostik von Demenzerkrankungen hat heute einen vergleichbaren Stellenwert wie zum Beispiel die Diagnostik von Krebserkrankungen in der Onkologie. Sie dient dazu, den Erkrankten und die Angehörigen über die Ätiologie, die Symptomatik, die Prognose, die Therapie und über präventive Maßnahmen aufzuklären.“
Sie stelle damit die Grundlage der Behandlung und Betreuung von Erkrankten und Angehörigen dar. „Da es sich bei der Symptomatik von Demenzerkrankungen um einen dynamischen und progredienten Prozess handelt und viele therapeutische und präventive Ansätze gerade im Frühstadium der Erkrankung Belastung und Pflegebedürftigkeit verzögern können, ist eine frühzeitige Diagnostik von Demenzerkrankungen zu fordern“, heißt es weiter.
Allerdings erfordere die Frühdiagnostik besondere Sorgfalt, um die Möglichkeit der Stellung einer falsch-positiven Diagnose, die insbesondere früh im Krankheitsverlauf besteht, zu minimieren, so die Leitlinienautoren. © hil/aerzteblatt.de

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