Medizin
Vitaminmangel: Jeder Vierte im Alter mit Vitamin B12 unterversorgt
Donnerstag, 21. Dezember 2017
München – Ein Viertel der über 65-Jährigen ist nicht ausreichend mit Vitamin B12 versorgt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung im Rahmen der Augsburger Bevölkerungsstudie KORA-Age, die in Nutrients publiziert wurde (2017; doi: 10.3390/nu9121276). Ein hohes Alter, wenig Bewegung und die unregelmäßige oder Nichteinnahme von Mikronährstoff-Supplementen erhöhten das Risiko für einen subklinischen Mangel an Vitamin B12. Inwieweit auch eine unzureichende Ernährung mit B12-haltigem Essen, wie etwa Fleisch, Fisch oder Milchprodukten, das Risiko erhöht, wurde nicht erfasst.
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums München untersuchten Blutproben von 1.079 Studienteilnehmern im Alter von 65 bis 93 Jahren. Neben Vitamin B12 analysierten sie auch den Gehalt von Vitamin D, Eisen und Folsäure im Serum. Bei den Teilnehmern handelte es sich um Probanden der Augsburger Bevölkerungsstudie KORA-Age. Die Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA) untersucht seit 30 Jahren die Gesundheit von Bürgern der Region.
Die Studienergebnisse zeigen, dass bei 27,3 Prozent der Teilnehmer die Vitamin B12-Serumkonzentration unterhalb des Grenzwertes von 221 pmol/l lag. Die Prävalenz des subklinischen Mangels erhöhte sich mit den Lebensjahren: Im Alter von 65 bis 74 Jahren waren 23,8 Prozent der Probanden betroffen, im Alter von 75 bis 84 Jahren waren es 28,3 und in der Gruppe der 85- bis 93-Jährigen 37,6 Prozent. Im Vergleich zu Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren hatten Senioren ab 85 Jahren ein doppelt so hohes Risiko für eine Vitamin B12-Unterversorgung.
Neben dem Alter steigerte auch die Nicht- oder unregelmäßige Einnahme von Supplementen das Risiko. Es war um das 4,8-Fache im Unterschied zur regelmäßigen Einnahme erhöht. Ob auch eine unzureichende Ernährung mit B12-haltigem Essen, wie etwa Fleisch, Fisch oder Milchprodukten, das Risiko erhöht, konnte anhand der KORA-Daten nicht erhoben werden. Zudem wiesen Männer (28,5 Prozent) häufiger eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12 auf als Frauen. Mangelnde Bewegung beeinflusste das Risiko ebenfalls signifikant (Odds Ratio = 1,4).
Nach Aussage der Autoren stimmen ihre Untersuchungsergebnisse mit anderen Studiendaten überein, die zeigen, dass ein subklinischer Vitamin-B12-Mangel in der älteren Bevölkerung ein verbreitetes Gesundheitsproblem darstellt. Ihre Daten lieferten den Grund für ein Screening der Gruppen mit hohem Risiko für eine Vitamin-B12-Unterversorgung, erklären die Wissenschaftler. Sie empfehlen daher, gezielt in diesen Bevölkerungsgruppen auf eine mögliche Unterversorgung zu achten.
Bleibt der Mangel unerkannt, zeigten sich neben hämatologischen Auswirkungen langfristig neurologische und psychiatrische Symptome. Karlheinz Reiners, Hermann-Josef-Krankenhauses Erkelenz
Von Müdigkeit bis zur Rückenmarkschädigung
Die ersten Symptome eines Vitamin-B12-Mangels, wie Müdigkeit, Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit, sind jedoch sehr unspezifisch. In der klinischen Praxis ist daher ein Vitamin-B12-Defizit leicht zu übersehen. „Bleibt der Mangel unerkannt, zeigten sich neben hämatologischen Auswirkungen langfristig neurologische und psychiatrische Symptome“, sagte Karlheinz Reiners, Facharzt für Neurologie an der Neurologischen Klinik des Hermann-Josef-Krankenhauses Erkelenz auf einem Vitamin-B12-Symposium im Mai in München.
Der Neurologe wies darauf hin, dass es bei einer Unterversorgung mit Vitamin B12 im Zentralnervensystem zu zerebralen Funktionsstörungen und einer funikulären Myelose kommen könne, einer Degeneration der langen Rückenmarksbahnen mit der Folge einer erheblichen Gangunsicherheit und Sturzgefährdung. Häufige psychische Manifestationen seien Konzentrationsstörungen, Depressionen, Verwirrtheit und kognitive Einschränkungen.
Die Autorin Barbara Thorand empfiehlt älteren Menschen, die oft zu wenig essen, eine nährstoffreiche Ernährung. Ursachen für eine Vitamin-B12-Unterversorgung im Alter könne nicht nur eine zu geringe Zufuhr mit der Nahrung sein. „Gerade bei älteren Menschen können Resorptionsstörungen auftreten oder die Einnahme bestimmter Medikamentengruppen führt dazu, dass Vitamin B12 aus der Nahrung nicht optimal aufgenommen wird", warnt sie. Dazu zählen beispielsweise Metformin oder Protonenpumpenhemmer.
Wird der Mangelzustand rechtzeitig erkannt, lassen sich die teils schwerwiegenden Folgen des Defizits mit einer einfachen und effektiven Substitutionstherapie verhindern, erklärt Reiners. Entgegen früherer Annahmen hat sich in einer Metaanalyse erwiesen, dass selbst bei Malabsorption eine alleinige orale, hochdosierte Therapie von 1.000 bis 2.000 µg erfolgreich ist (2005; doi: 10.1002/14651858.CD004655.pub2). © gie/EB/aerzteblatt.de

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