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Politik

„Der Faktor Mensch ist eines der größten Risiken“

Donnerstag, 15. Februar 2018

Frankfurt am Main – Piloten schulen Ärzte und Pflegekräfte. Diesen ungewöhnlichen Weg gehen die BG Kliniken, der Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Einblicke in die Luftfahrt sollen helfen, Fehler zu vermeiden und Krankenhäuser sicherer zu machen.

Fünf Fragen an Bertil Bouillon, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie der Kliniken Köln

DÄ: Auf den ersten Blick sind Luftfahrt und Medizin ein gutes Stück voneinander entfernt. Wo sind die Gemeinsamkeiten?
Bertil Bouillon: Sowohl die Medizin als auch die Luftfahrt haben kritische Bereiche. Beide sind hochtechnisiert, es besteht ein gewisses Risikopotenzial und es können Notfälle eintreten. Also haben wir uns gefragt: Wo gibt es Analogien, wo können wir lernen? Und durch Abtasten und Zuhören haben wir gesehen, dass es Instrumente gibt, die wir nutzen und für die Medizin adaptieren können.

DÄ: Wo liegt gegenwärtig das größte Problem in der Medizin?
Bouillon: Der Faktor Mensch ist eines der größten Risiken. Unsere Apparate funktionieren, auch die Technik, die wir nutzen. Aber die Frage ist: Können wir all dies auch sicher anwenden? Wir wollen weg von dem Zwei-Säulen-Modell in der Medizin, das sich allein auf Wissen und Fertigkeiten stützt und in vielen Kursen vermittelt wird. Die dritte Säule allerdings, alles rund um den Faktor Mensch, müssen wir uns zufällig abgucken, entwickeln sie nicht. Wir haben dafür bislang keine Systematik. Das muss sich ändern.

DÄ: Was braucht es, um die gewünschten Veränderungen herbeizuführen?
Bouillon: Wir müssen zunächst das Bewusstsein dafür schaffen, dass eine andere Arbeits- und Sicherheitskultur notwendig ist. Das ist unser erstes Ziel. Und wir müssen den Kollegen die richtigen Tools an die Hand geben, um diese neue Kultur trotz der allgemeinen Arbeitsverdichtung schnell zu erreichen. Was uns freut: Wir bekommen viele positive Rückmeldungen auf die Kurse, weil die Teilnehmer sehr konkrete Ansätze für die Arbeit mitnehmen. Diese greifen auch noch Monate später. Klar ist auch: Je mehr Kollegen ausgebildet werden, desto wirksamer sind solche Trainings.

DÄ: Was sind die größten Herausforderungen in den Köpfen, wo muss das Umdenken ansetzen?
Bouillon: Es muss jedem bewusst werden, dass ich die besseren Ergebnisse erziele, wenn ich alle Ressourcen nutze. Viele Kollegen empfinden sich als Einzelkämpfer. Wir müssen uns aber im Team aufeinander verlassen können und die gleiche Sprache sprechen. Pflege, Assistenzärzte und Oberärzte müssen sich gegenseitig auf Probleme aufmerksam machen können und Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Man muss nicht immer alles schönreden.

DÄ: Wie lange wird der Kulturwandel brauchen, den Sie so sehr herbeisehnen?
Bouillon: Die Luftfahrt hat 40 Jahre dafür gebraucht. Wenn wir es in 20 Jahren schaffen, sind wir gut. Wir haben den Vorteil, dass wir von der Luftfahrt lernen können. Im engen Umfeld zeigt sich der Erfolg schon relativ zügig. Sicher ist jedenfalls: Man muss sich irgendwann auf den Weg machen, sonst ändert sich nie etwas. © nss/aerzteblatt.de

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