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Politik

S3-Leitlinie Neuroborreliose kann in Kraft treten

Dienstag, 20. März 2018

Borreliose-Erreger „Borrelia burgdorferi“ /dpa

Berlin – Die Neufassung der S3-Leitlinie Neuroborreliose darf in unveränderter Form veröffentlicht werden. Das hat das Landgericht Berlin entschieden und eine bisher geltende einstweilige Verfügung vom Dezember vergangenen Jahres, die der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) eine Veröffentlichung der Leitlinie untersagt hatte, aufgehoben (Az.: 19 O 349/17). Zugleich wies das Gericht damit den Antrag der Deutschen Borreliose-Gesellschaft und des Borreliose-und-FSME-Bundes Deutschland ab, deren abweichende Sondervoten in den Leitlinientext aufzunehmen.

Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass die DGN die von den Patientenverbänden abgegebenen Dissenshinweise zur Leitlinie in den Leitlinienreport und nicht in den Leitlinientext aufnehmen wollte. Dies wollten die beiden Organisation nicht hinnehmen und richterlich erzwingen, dass die Dissenshinweise im Leitlinientext erscheinen. Der Borreliose-und-FSME-Bund Deutschland begründete, der Leitlinienreport werde von Behandlern und Gutachtern „in der Regel nicht gelesen“. Wie das Gericht in dem Urteil, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, begründet, gibt es allerdings „keine einklagbare“ Rechtsgrundlage für die Forderungen der Deutschen Borreliose-Gesellschaft und des Borreliose-und-FSME-Bundes Deutschland.

Die DGN zeigte sich heute zufrieden mit dem Urteil und kündigte als federführende Fachgesellschaft an, die Leitlinie nun in ihrer ursprünglichen Version zu veröffentlichen. „Wir sind froh, dass mit dem Urteil klargestellt ist: Leitlinien werden nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt und nicht nach spezifischen Interessen Einzelner“, sagte DGN-Präsident Gereon R. Fink.

Leitlinien werden nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt und nicht nach spezifischen Interessen Einzelner. Gereon R. Fink

„Dieser Versuch, nach wissenschaftlichen Kriterien nicht haltbare Ansichten und damit für Patienten mitunter gefährliche Therapieformen per Jurisdiktion durchzusetzen, ist unserer Kenntnis nach ein einmaliger Vorgang“, erklärte Sebastian Rauer, einer der beiden Koordinatoren der medizinischen Leitlinie. Zum Glück sei das nicht gelungen. Die fachliche Mehrheitsmeinung, die nach größtmöglicher Objektivität strebe, könne nun publiziert werden.

Mehr als drei Jahre lang hatten 25 Organisationen, darunter auch Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut, an der Leitlinie gearbeitet. Gemeinsam haben sie nach Angaben der DGN die aktuellen Diagnostik- und Behandlungsleitlinien dieser Erkrankung des Nervensystems nach einem Zeckenstich recherchiert, fachlich diskutiert und in demokratischen Abstimmungsprozessen unter Moderation der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) über die aktuell bestmöglichen Empfehlungen abgestimmt.

Lyme-Borreliose ist laut DGN die am häufigsten durch Zecken übertragene Krankheit in Europa. In Deutschland infizieren sich jährlich zwischen 60.000 und mehr als 200.000 Menschen mit dem bakteriellen Erreger. Die Borrelien befallen vorwiegend die Haut, können sich aber auch im übrigen Körper ausbreiten. In drei bis 15 Prozent der Fälle ist das Nervensystem betroffen.

Differenzen beim Lymphozyten-Transformationstest

Hinsichtlich der Diagnostik und Therapie der akuten Neuroborreliose besteht nach DGN-Angaben weitgehende Einigkeit zwischen den wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft und des Borreliose-und-FSME-Bundes Deutschland. Bei der späten Neuroborreliose und vermeintlich latenten Langzeitinfektionen gingen die Meinungen jedoch so weit auseinander, dass keine inhaltliche Annäherung möglich gewesen sei, hieß es.

Den Lymphozyten-Transformationstest, der bei diffusen Beschwerden wie chronischer Müdigkeit, muskuloskelettalen Schmerzen, Abgeschlagenheit oder Konzentrationsstörungen eine chronische Borreliose nachweisen soll, halten die wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften für nicht aussagekräftig, da er nicht in zuverlässigen wissenschaftlichen Studien evaluiert ist.

„Für eine Langzeitbehandlung der Neuroborreliose mit Antibiotika über mehr als drei Wochen, wie sie von manchen Ärzten durchgeführt wird, gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Sie birgt aber ein großes Risiko für Nebenwirkungen“, sagte Rauer. Er betonte, als Ärzte stehe man in der Verantwortung, Patienten vor Heilversuchen, deren Nutzen nicht wissenschaftlich belegt sei, die aber schaden könnten und für die sie mitunter große Summen aus eigener Tasche aufbringen müssten, zu schützen.

Der Borreliose-und-FSME-Bund Deutschland will das Urteil zunächst mit seinem Anwalt beraten. Von der Urteilsbegründung zeigte man sich allerdings wenig überzeugt. Die Vorsitzende Ute Fischer warf der DGN vor, dem Gericht gegenüber die Wirkweise und Konsequenzen einer Leitlinie verharmlost zu haben. Es handle sich nicht wie von der DGN dargestellt um schlichte Handlungsempfehlungen. Vielmehr spielten Leitlinien eine Ausschlag gebende Rolle, wenn es darum gehe, Ansprüche von Patienten an Krankenkassen, privaten wie gesetzlichen Unfallversicherungen außergerichtlich wie gerichtlich durchzusetzen zu können, aber vordergründig abzuerkennen, so Fischer. © may/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #745932
Ursula Dahlem
am Donnerstag, 22. März 2018, 13:25

Aktionsbündnis OnLyme-Aktion.org - Presseerklärung

An der neu veröffentlichten Leitlinie haben verschiedene Organisationen, darunter auch das Aktionsbündnis gegen zeckenübertragene Infektionen Deutschland e. V., OnLyme-Aktion.org, seit mehr als drei Jahren mitgearbeitet und an den Fachkonferenzen teilgenommen. Aufgrund der völlig unzureichenden Studienlage in Europa sieht OnLyme-Aktion.org das Mehrheitsvotum für die Verabschiedung dieser Leitlinie kritisch.

Das Aktionsbündnis, welches sich nicht am Klageweg beteiligte, hat zur umstrittenen Leitlinie Stellung genommen. In einer Presseerklärung wird unter anderem darauf verwiesen, dass wir die Öffnung zu erweiterten Therapieoptionen vermissen – mindestens 24 Prozent der Erkrankten leiden weiterhin unter persistierenden Symptomen.

Komplette Pressemitteilung unter:

http://neue-pressemitteilungen.de/neue-leitlinie-zur-neuroborreliose-bleibt-umstritten.html?source=email4

In einer Dissenserklärung haben wir das gegenüber den Fachgesellschaften dargelegt. http://onlyme-aktion.org/neuroborreliose-neue-leitlinie-bleibt-umstritten-dissenserklaerung-von-onlyme-aktion-org/
Avatar #79783
Practicus
am Mittwoch, 21. März 2018, 01:15

Jetzt kommt der Shit-Storm...

ich habe Patienten, die grundsätzlich wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema ablehnen und sich statt dessen auf selbsternannte "Experten" stützen, die bizarre Zusammenhänge herstellen und äußerst seltsame... da gibt es eine bayrische Ärztein, die auf "Dunkelfeldmikroskopie" als einzig wahre Diagnostik setzt, andere Kollegen, die sich ihre eigene Pathogenese zusammenbastel und alle rätselhaften Krankheitszustände von "Sick Building", "multiple Chemikaliensensitivität", "Fibromyalgie", "Chronic Fatigue" etc pp auf "unerkannte Borrelieninfektionen" zurückführt.
Borrelien scheinen in der Medizin die Rolle der Tachyonen in der Physik zu spielen... die nicht nachweisbare Infektion als Krankheitsursache
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