Medizin
Jedes vierte zugelassene Medikament beeinflusst Darmbakterien
Mittwoch, 21. März 2018
Heidelberg – Nicht nur Antibiotika töten Darmbakterien ab. Ein Laborscreening in Nature (2018; doi: 10.1038/nature25979) ergab, dass von mehr als 1.000 zugelassenen Wirkstoffen jeder 4. die Zusammensetzung der Darmflora verändert. Die klinische Bedeutung ist noch unklar.
In den letzten Jahren wurde eher zufällig entdeckt, dass das Diabetesmedikament Metformin, Protonenpumpeninhibitoren, nichtsteroidale Antiphlogistika oder atypische Antipsychotika Auswirkungen auf die Darmflora haben. Dies veranlasste ein Team um Peer Bork vom European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg, den Einfluss systematisch zu erkunden. In einem Screeningtest wurde der Einfluss von 1.197 Wirkstoffen, von denen viele in zugelassenen Medikamenten enthalten sind, auf das Wachstum von 40 verschiedenen Bakterien untersucht.
Erwartungsgemäß waren die meisten antibakteriellen Mittel gegen mindestens eine Spezies aktiv. Auch bei anderen Antiinfektiva, die gegen Pilze, Parasiten oder Viren eingesetzt werden, überraschte ein Einfluss auf das Wachstumsverhalten einzelner Bakterien nicht. Erstaunlich war jedoch, dass 203 Wirkstoffe (24 %), die nicht bei Infektionen eingesetzt werden, das Wachstum von mindestens 1 Bakterienstamm störten, bei 40 Wirkstoffen wurde sogar ein Einfluss auf 10 oder mehr Bakterienstämme gefunden.
Bei einigen Wirkstoffen lässt sich die antibakterielle Begleitwirkung erklären. Bei Auronofin, das früher zur Basistherapie rheumatischer Erkrankungen eingesetzt wurde, ist eine bakterizide Wirkung durch das Edelmetall Gold bekannt. Clomiphen, das bei Frauen mit Kinderwunsch zur Stimulation der Ovulation verwendet wird, hemmt bakterielle Enzyme. Auf welche Weise allerdings Antipsychotika das Bakterienwachstum hemmen, ist unklar. Die Mittel greifen an Dopamin- und Serotoninrezeptoren im Gehirn an, die es bei Bakterien gar nicht gibt. Auch der Einfluss von Protonenpumpeninhibitoren ist überraschend. Bisher wurde die fehlende Desinfektion durch die Magensäure für die „Dysbiosis“ im Darm verantwortlich gemacht. Die Tests zeigen jedoch, dass die Protonenpumpeninhibitoren auf einige Bakterien offenbar eine direkte Wirkung haben.
Welche Auswirkungen die Interaktion mit der Darmflora auf die Therapie haben, ist nicht bekannt. Bork befürchtet in erster Linie negative Folgen, schlimmstenfalls könnten die Medikamente die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen fördern. Denkbar ist jedoch auch, dass die eine oder andere Substanz in Zukunft auch als Antibiotikum eingesetzt werden könnte. © rme/aerzteblatt.de
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