Politik
Ethikrat-Chef empört über AfD-Anfrage zu Menschen mit Behinderung
Donnerstag, 12. April 2018
Berlin/Erlangen – Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, hat sich empört über eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zum Thema „Schwerbehinderte in Deutschland“ gezeigt. „Es ist erschütternd und völlig inakzeptabel, dass in einer Anfrage im Deutschen Bundestag erkennbar im Subtext vermittelt wird: Die Zunahme von Behinderung ist ein gesellschaftliches Übel“, sagte der Erlanger Theologe heute.
Die Autoren der Anfrage bewegten sich damit wieder „bewusst an der Grenze rechtsextremistischen Vokabulars. Jeder, der es will oder kann, soll darin Lebenswerturteile erkennen“, fügte Dabrock hinzu. „Allen Menschen, die behindert sind, allen Menschen, die eine Solidarität mit Menschen mit Behinderung haben, und auch allen Menschen, die aufgrund von Alter oder Krankheit Sorge haben, bald selbst behindert zu werden, sollte klar und deutlich sein, aus welchem dunklen Geist solche Anfragen kommen.“ Dass die Anfrage zudem einen „erkennbar abstrusen Zusammenhang zur Migrationsfrage“ aufbaue, „toppt das Ganze im negativen Sinne“, so der Ethikexperte.
BAG Selbsthilfe entsetzt
Empört reagierte auch die BAG Selbsthilfe. „Das Heranziehen von Inzest als vermeintliche Hauptursache von Behinderungen in Deutschland, sowie die implizierte Mutmaßung, dass es sich bei einer Vielzahl der behinderten Personen um Menschen mit Migrationshintergrund handeln könnte, ist nicht nur empörend, sondern auch völlig inakzeptabel“, kritisierte Bundegeschäftsführer Martin Danner.
Eine solche Anfrage sei nicht nur beschämend für all die Menschen, die behindert geboren worden seien oder aufgrund von Unfall, Erkrankung oder Alter plötzlich eingeschränkt worden sind, sondern auch für all diejenigen, die sich für eine gleichberechtigte und teilhabeorientierte Gesellschaft einsetzten. Die Anfrage der AfD erinnere an „ein Gedankengut, das dem wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte entspricht“.
Fragen zum Migrationshintergrund Behinderter
In der Anfrage fragen die AfD-Abgeordneten unter anderem, wie sich die Zahl der Behinderten seit 2012 entwickelt habe, insbesondere die durch Heirat innerhalb der Familie entstanden seien. In einer weiteren Frage will die Fraktion wissen, wie viele Fälle der durch Heirat in der Familie entstandenen Behinderungen einen Migrationshintergrund haben.
Im Vorwort zu der Anfrage heißt es unter anderem: „Behinderungen entstehen unter anderem durch Heiraten innerhalb der Familie.“ Zudem wird behauptet, dass eine britische Studie zu dem Schluss gekommen sei, dass „60 Prozent der Todesfälle und Erkrankungen betroffener Kinder hätten vermieden werden können, ,wenn die Inzucht beendet würde'". Wissen will die AfD-Fraktion auch, wie viele der in der Bundesrepublik lebenden Schwerbehinderten keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
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In der heute in Berlin veröffentlichten Antwort teilt das Bundesarbeitsministerium in nüchterner Form mit, dass die Zahl der schwerbehinderten Bundesbürger von 6,71 Millionen im Jahr 2001 auf 7,61 Millionen im Jahr 2015 angestiegen sei.
Danach ist vor allem die Anzahl von älteren Menschen mit einer Schwerbehinderung stark gewachsen. Waren es im Jahr 2001 noch 3,4 Millionen, so lebten 2015 rund 4,2 Millionen Menschen über 65 Jahre mit einer solchen Behinderung in der Bundesrepublik. Die Zahl der schwerbehinderten Kinder und Jugendlichen lag 2015 bei rund 174.000.
Der Anteil der „angeborenen Behinderungen“ ging zwischen 2011 und 2015 von 4,1 auf 3,8 Prozent zurück. „Die relative Bedeutung der angeborenen Behinderungen als Behinderungs-Ursache ist bereits seit längerem rückläufig“, heißt es in der Antwort.
Bei mehr als 94 Prozent der schwerbehinderten Menschen handelt es sich um Deutsche. Die übrigen schwerbehinderten Menschen haben einen Migrationshintergrund. Dieses Verhältnis ist in den vergangenen Jahren in etwa gleich geblieben. © kna/aerzteblatt.de

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