Politik
Sozialverbände fordern einheitliche Unterstützung für Behinderte
Mittwoch, 18. April 2018
Schwerin – Bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes befürchten Sozialverbände, dass Ämter unterschiedliche Maßstäbe anlegen und so Behinderten mit gleichem Hilfebedarf gleiche Leistungen versagt bleiben.
Als erstes Bundesland habe Mecklenburg-Vorpommern zu Jahresbeginn begonnen, nach einem „Integrierten Teilhabeplan“ den individuellen Bedarf der Betroffenen zu ermitteln. Da es vom Land aber keine Rechtsverordnung dazu gebe, würden Teilhabebedarfe in den Sozialämtern der sechs Landkreise und zwei kreisfreien Städte nicht einheitlich ermittelt, beklagte der Landesgeschäftsführer der Lebenshilfe, Clemens Russell, gestern in Schwerin.
„Das neue Gesetz bringt Chancen für die Betroffenen. Die wollen wir nutzen, zugleich aber die Risiken minimieren“, sagte er. Laut Russell sind landesweit etwa 25.000 Menschen von der aktuellen Bedarfsanalyse betroffen.
Kritik kam auch vom Wohlfahrtsverband Der Paritätische. Die Anbieter von Hilfeleistungen würden zu spät einbezogen. Fehleinschätzungen zum Hilfebedarf seien mitunter die Folge. „Wir fordern einen besseren Dialog aller Beteiligten“, sagte die Geschäftsführerin des Paritätischen Mecklenburg-Vorpommern, Christina Hömke.
Das neue Gesetz sei sehr komplex, der Fragekatalog, mit dessen Hilfe der Hilfebedarf ermittelt werde, äußerst umfangreich. Menschen mit geistigen Behinderungen, insbesondere Mehrfachbeeinträchtigte, könnten ohne Unterstützung durch Betreuer leicht überfordert sein und durch unzutreffende Angaben von Hilfeleistungen ausgeschlossen werden.
Um allen Menschen mit Behinderungen überall in Mecklenburg-Vorpommern die gleichen Chancen auf Unterstützung zu gewähren, sei eine Rechtsverordnung nötig. Hömke äußerte die Befürchtung, dass funktionierende Betreuungsstrukturen leichtfertig zerstört werden könnten.
Das Bundesteilhabegesetz ist seit 2017 in Kraft. Es soll die Hilfe nach dem individuellen Bedarf des Behinderten sicherstellen und die Position der Betroffenen stärken. Dazu sind mehrere Reformschritte geplant. Russell äußerte die Überzeugung, dass mithilfe der neuen Regelungen auch die „Ausgabendynamik“ besser kontrolliert und möglichst gedämpft werden soll. Der Zeitplan für die Umsetzung sei „sehr ehrgeizig gestrickt“, erklärte Russell.
Das Sozialministerium in Schwerin rechtfertigte sein Vorgehen. Den Kreisen und Städten als Sozialhilfeträgern seien bewusst Spielräume gegeben worden, damit diese die ihnen zustehende Organisationshoheit der Verwaltung ausüben können. Zunächst sollten Erfahrungen bei der Bedarfsermittlung gesammelt werden. Im Rahmen der Fachaufsicht behalte das Sozialministerium eine einheitliche Anwendung der Instrumentarien im Blick. Dem Sozialministerium lägen zudem bisher keine Anhaltspunkte für abweichende Leistungsgewährungen vor, hieß es. © dpa/aerzteblatt.de

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