Vermischtes
Historische Ausstellung zum Thema Scheintot eröffnet
Freitag, 20. April 2018
Berlin – „Über die Ungewissheit des Todes und die Angst, lebendig begraben zu werden“ – unter diesem Titel eröffnet das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité (BMM) morgen seine neue Sonderausstellung zum Thema Scheintot. Bis zum 18. November zeigt das BMM, wie Erzählungen und Gerüchte eine weitverbreitete Angst erzeugten und mit welchem Erfindungsreichtum man sich dieser Thematik näherte, um der Angst beizukommen.
Entwickelt wurde die Ausstellung von „h neun Berlin – Büro für Wissensarchitekturen“. Die Macher überführten die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Zeitzeugnisse in ein multimediales Konzept mit historischen Abbildungen und Ausstellungsstücken, Modellen, Animationen und audiovisuellen Darbietungen. So will die historische Ausstellung den mit modernem Wissen und Technik ausgestatteten Besucher auf die Wissensebene der damaligen Zeit befördern. Sie gliedert sich in sechs Themenräume, die sich den unterschiedlichen Aspekten des Themas Scheintod widmen.
So dreht sich im ersten Bereich alles um „Die große Angst“, die um 1800 weite Teile der Bevölkerung ergriff, und wirft einen Blick auf die Ursachen dieser regelrechten Hysterie. Einen wesentlichen Beitrag zur Scheintod-Debatte leistete das Buch eines französischen Arztes, in dem er wissenschaftliche Erkenntnisse aus einer Dissertation mit zahlreichen Geschichten und Gerüchten über vermeintlich zu früh Begrabene anreicherte – diese Geschichten werden für Besucher der Ausstellung über Hörkästen an den Wänden wiedergegeben.
Das Buch erhielt sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch in der damaligen Wissenschaft eine breite Resonanz und zog weitere Publikationen nach sich, darunter auch Christoph Wilhelm Hufelands Werk „Ueber die Ungewißheit des Todes …“ aus dem Jahr 1791. Hufeland gilt als Wegbereiter der Leichenhäuser, in seinem Buch lieferte er unter anderem Entwürfe für den Bau und die Funktionsweise des ersten deutschen Leichenhauses in Weimar. Der zweite Themenbereich widmet sich seiner Person.
Ein dritter Bereich inszeniert eine Laborsituation und bietet Einblick in Experimente von Naturforschern, Ärzten und Anatomen zum Phänomen des Scheintodes. Damalige Wissenschaftler wollten herausfinden, wie man den letzten Lebensfunken, der im Scheintod-Körper vermutet wurde, finden und wieder wecken kann. Von Experimenten mit Elektrospulen über Tabakklistieren bis hin zu chirurgischen Eingriffen reichte die Palette der ergebnisoffenen Versuche, die weit entfernt von heutigen ethischen und moralischen Vorstellungen waren.
Parallel dazu weckte die Scheintoddebatte den Erfindergeist von Tüftlern und Bastlern. Christian H. Eisenbrandt beispielsweise erfand einen Sicherheitssarg, an dessen Kopfende ständig Luft eindringen konnte. Darüber hinaus waren die Finger des Toten über Stäbe mit einer Klinke verbunden, sodass sich der Sargdeckel bei der kleinsten Bewegung der bestatteten Person öffnete. Aber auch Leichenhäuser sollten eine Sicherheit dafür bieten, dass niemand lebendig begraben wurde.
In den Einrichtungen wurden Verstorbene bis zum Einsetzen der Fäulnis aufgebahrt, wenn Familien Zweifel am Exitus des Angehörigen hegten. Ein eigener Themenraum zeigt am Beispiel des noch existierenden Berliner Leichenhauses auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirche vor dem Halleschen Tor, wie diese Gebäude konzipiert waren, welche Aufgaben der Leichenhaus-Wächter hatte und wie sich die Zahl der eingelieferten Toten über die Jahre entwickelte.
Abschließend schlägt die Ausstellung mit einem eigenen Raum zum Thema Hirntod den Bogen zur heutigen Definition von Tod und der damit einhergehenden Diskussion um die Entnahme von Organen für eine Transplantation. Laut Aussage von Museumdirektor Thomas Schnalke möchte das BMM damit auch für die Organspende sensibilisieren. © kk/aerzteblatt.de

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