Politik
Notfallkonzept: G-BA beschließt Drei-Stufen-Plan
Freitag, 20. April 2018
Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nach langjähriger Debatte das Notfallstufenkonzept beschlossen. Damit wurden Mindestanforderungen in drei Stufen an Kliniken mit Notfallaufnahmen beschlossen, die dann auch Zuschläge für die Vorhaltekosten bei Geräten, Spezialbetten und Fachärzten erhalten.
Aufgrund der Debatte im Vorfeld der Entscheidung betonte der unparteiische G-BA-Vorsitzende Josef Hecken, dass die stationäre Notfallversorgung in strukturschwachen Gebieten gesichert bleibe. „Wir erreichen mit dem Notfallkonzept, dass die unverzichtbaren medizinischen Anforderungen für die Patientenversorgung erfüllt sind“, erklärte Hecken im Anschluss. „Das Konzept macht die Finanzierung zielgenauer und gerechter als bisher, gleichzeitig werden qualitätssichernde Standards für Notfallstrukturen gesetzt.“
Übergangsphase vorgesehen
Kliniken haben eine Übergangsphase von fünf Jahren, in der sie bautechnisch wie organisatorisch Strukturen verändern können, um in eine bestimmte Notfallstufe zu gelangen. Nach den derzeitigen Modellrechnungen werden von den 1.748 allgemeinen Krankenhäusern etwa 1.120 (64 Prozent) Zuschläge erhalten.
In einer fast zweistündigen Debatte im Plenum des G-BA stimmten die Vertreter von Krankenkassen, Krankenhäusern, Patientenvertretung und Länder sowie die drei Unparteiischen über die Details des Drei-Stufen-Konzeptes ab. Bei vielen der Detailabstimmungen unterlag die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Vertreterin für die niedergelassenen Ärzte konnte zwar an den Beratungen teilnehmen, war aber bei diesem Thema nicht stimmberechtigt.
Viele offene Fragen
Im Plenum gab es noch zahlreichte Streitpunkte, die in den nichtöffentlichen Verhandlungen im Vorfeld nicht geklärt werden konnten. Strittig war dabei die Frage der Fachärzte in einem Krankenhaus: Wie schnell muss ein Facharzt bei einer Notfallaufnahme eines Hauses der Stufe eins verfügbar sein? Hier einigte sich nach hitziger Debatte um den Facharztstatus das Gremium auf eine Frist von 30 Minuten, gegen die Stimmen der DKG. Ungeklärt bleiben die Fragen, in welche arbeitsrechtlichen Zeiten von Rufbereitschaft oder Hintergrunddiensten diese Zeiten fallen werden. Das wird wohl in weiteren Verhandlungen zwischen Krankenkassen und DKG zu klären sein.
Dazu gehörte auch der Streitpunkt der Zahl der Fachabteilungen insgesamt, die ein Haus für die jeweilige Stufe haben muss. So muss künftig ein Haus in Stufe eins mindestens über die Fachabteilung Chirurgie/Unfallchirurgie sowie Innere Medizin an einem Standort verfügen. In der Stufe eins muss in Kliniken eine Intensivstation mit mindestens sechs Betten vorhanden sein. Bei Häusern mit einer höheren Notfallstufe müssen entsprechend mehr Hauptfachabteilungen sowie Intensivbetten vorhanden sein: So müssen für Abteilungen der Kategorie zwei – neben Chirurgie und Innerer Medizin – vier weitere Hauptabteilungen vorhanden sein, für Stufe 3 sind es dann sechs Hauptabteilungen.
Wie Belegärzte zählen?
Gerungen wurde auch über die Zählweise der Belegärzte: Werden die in die Zählung der anwesenden Fachärzte mit einbezogen? „Wir haben festgestellt, dass das Belegarztwesen in Krankenhäusern deutschlandweit zu unterschiedlich ist, dass wir hier keine klaren Kriterien festlegen können“, so Hecken. Er unterbreitete den Vorschlag, in den sogenannten tragenden Gründen festzuhalten, künftig an einem Kriteriensystem zu arbeiten, wie Belegärzte in dem Stufenkonzept eingegliedert werden können. Mit Zustimmung der Patientenvertretung und der Länder votierte das Gremium gegen die generelle Aufnahme der Belegärzte in die Zählweise des Systems. Die DKG war dafür.
Weitere heftige Diskussionen gab es um die Frage, wie die Standorte von Kliniken bewertet werden sollen. Hierbei geht es vor allem um örtliche Maximalversorger, die in die Stufen zwei und drei eingegliedert werden könnten, aber Notfallversorgung an mehreren Standorten anbieten und sich – so wie es auch der politische Wille ist – spezialisiert haben. Hierfür kann es aber auch regionale Lösungen geben.
Debatte um Hubschrauberlandeplätze
Weitere Streitpunkt waren die Hubschrauberlandeplätze: Hier wurde darüber diskutiert, wie weit bei Häusern der Stufe zwei der Landeplatz entfernt sein darf und ob es einen Zwischentransport vom Hubschrauber ins Haus geben darf. Bei Häusern der Kategorie drei muss der Landeplatz so liegen, dass der Patient ohne Zwischentransport vom Hubschrauber in das Gebäude gebracht werden kann.
Fraglich war auch, ob Häuser der zweiten und dritten Stufe einen Facharzt für Notfallmedizin als Leiter oder Leiterin haben müssen. Hier wurde eine Übergangsregelung von fünf Jahren zum Aufbau dieser Leitungsfunktion beschlossen, da diese Zusatzausbildung noch nicht in allen Kammern verfügbar sei, hieß es im G-BA-Plenum.
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Zur Leitung der Notfallaufnahme gehört auch die Kooperation mit den örtlichen Kassenärztlichen Vereinigungen. Dabei wurde heftig darum gerungen, ob eine Kategorie für das Notfallstufenkonzept eine „Soll“-Vereinbarungen mit den KVen über eine Portalpraxis werden wird. Die DKG sträubte sich gegen die Verpflichtung, mit KVen diese Regelung eingehen zu müssen. Hecken betonte: „Sie müssen uns glaubhaft machen, dass sie sich ernsthaft darum bemüht haben. Dann ist es gleich, was bei den Bemühungen rauskommt.“
Weiterer Streitpunkt war die Kategorisierung der Chest-Pain- sowie Stroke-Units. Als Unparteiischer Vorsitzender schlug Hecken vor, dass alle Stationen mit der speziellen Ausrichtung der Notfallstufe eins zugeordnet werden und mit einem weiteren Zuschlag rechnen können. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Ähnliches soll auch für die Spezialversorger wie die Herzzentren gelten.
Krankenhausgesellschaft unzufrieden
In der Plenumsdebatte warnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) davor, dass mit dieser Entscheidung die Krankenhäuser ein „Siegel“ bekommen würden, so DKG-Präsident Gerald Gaß. Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der DKG, kritisierte, dass dies ein Umverteilungsprogramm von Geldern sei, deren Kriterien noch unklar sind und in deren Folge es „MDK-Untersuchungen gibt, die die Frage klären wollen, welches Kriterium nun wirklich zähle.“
Für die Krankenkassen ist klar: „Wir wollen Gelegenheitsnotfallversorger nicht weiter entlohnen“, erklärte Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband. Zu der Kritik an den nun festgelegten Kriterien für die drei Stufen erklärte Wulf Leber: „Der Gesetzgeber hat ja uns aufgetragen, dass wir die Kriterien definieren und kein entweder Bett, Arzt oder Gerät festlegen. Es muss alles in einer Klinik vorhanden sein, nicht nur irgendetwas davon.“
Bundesländer können gravierend eingreifen
Die Bundesländer, in deren Hoheit die Krankenhausplanung gehört, können laut dem Beschluss trotz der Vorgaben für die Stufen einige Krankenhäuser in andere Kategorien einordnen, wenn sie dies für die Versorgung vor Ort für notwendig erachten.
Kurz vor der Abstimmung, bei der sich schon im Vorfeld abgezeichnet hatte, dass die DKG eine Niederlage kassieren würde, erklärte DKG-Präsident Gaß : „In vielen Punkten sind wir hier unterlegen, obwohl wir fachlich gute Begründungen hatten. Trotz all der Kompromisse, die wir zu schließen bereit waren, werden wir am Ende dagegen stimmen.“ Gaß fügte hinzu: „Ich bedanke mich für das konstruktive Miteinander in der Diskussion.“ Danach verlor die DKG gegen die Stimmen der Kassen und der drei Unparteiischen.
Das Stufenkonzept hätte laut Krankenhausstrukturgesetz bereit bis Ende 2016 vorliegen sollen. Während der Beratungen hatten die Beteiligten aber festgelegt, dass es ein Gutachten benötige, um die Folgen der Stufeneinteilungen abschätzen zu können. Dadurch verzögerte sich die Entscheidung um etwa ein Jahr, zusätzlich sahen die Bundesländer kurz vor der Entscheidung weiteren Abstimmungsbedarf, sodass dieses Thema noch einmal von der Tagesordnung genommen werden musste.
Allerdings monierten die Plenumsmitglieder, dass an der IGES-Erhebung des sogenannten Folgenabschätzungsgutachtens nur 50 Prozent der Krankenhäuser eine Rückmeldung gegeben haben. Daraufhin habe man zusätzliche Abrechnungstagen hinzugezogen, „um das Maximum an Folgeabschätzung zu bekommen“, erklärte Hecken, „damit wir eine Beschlussfassung hinbekommen, trotz der geringen Rücklaufquote.“
Folgenabschätzungsgutachtens nicht ausreichend
Die Ländervertreter äußerten in der Sitzung, sie hätten eine bessere Folgenabschätzung bekommen wollen. Mitglieder des Gremiums hatten sich offenbar die Erstellung eines Status quo der Notfallversorgung auf Basis der Daten aus den Ländern einfacher vorgestellt. So hätten auch viele Bundesländer durch die Analyse „erst ihr Land einmal kennen gelernt“, so Hecken. „Es ist schon erstaunlich, wie viele Länder nicht wussten, wie sie ausgestattet sind“, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KBV am Rande der Pressekonferenz im Anschluss an das Plenum.
Die Umsetzung des Konzeptes beginnt erst: Denn nun müssen Krankenkassen und Vertreter der Krankenhäuser aushandeln, mit welcher finanziellen Mitteln die Zuschläge ausgestattet werden. „Ich fürchte, die Arbeit geht weiter“, erklärte Ursula Helmes von der Patientenvertretung. © bee/aerzteblatt.de

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