Hochschulen
Streit um Pflegedirektor am Universitätsklinikum Mannheim
Montag, 23. April 2018
Mannheim – Das Universitätsklinikum Mannheim (UMM) schafft die Funktion des Pflegedirektors ab. Das hat für Aufregung und Protest, unter anderem beim Deutschen Pflegerat oder dem Verband der Pflegedirektoren gesorgt. Das Klinikum kann die Aufregung nicht verstehen und führt eine Aufwertung der Pflege ins Feld.
Aus Sicht des UMM basiert der Protest auf einem Missverständnis über die Funktion des Pflegedirektors in Mannheim. Dieser sei am UMM bereits in der Vergangenheit der Geschäftsführung direkt unterstellt gewesen, sagte ein Sprecher dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage. In Mannheim sei der Pflegedirektor nicht Teil des Vorstandes, wie es bei den meisten Universitätskliniken in Deutschland der Fall ist. Denn am als GmbH organisierten UMM gebe es keinen Vorstand, sondern zwei gleichberechtigte Geschäftsführer.
UMM: Restrukturierungsprozesses soll Pflege aufwerten
Im Zuge des Restrukturierungsprozesses innerhalb des UMM seien bereits Ende des vergangenen Jahres fünf neue Pflegedepartements mit dem Ziel entstanden, die Flexibilität unter den Pflegekräften zu erhöhen. Diese fünf Departements (Konservative Kliniken, Operative Kliniken, Frauen und Kinder, Notfall und Intensiv/Anästhesie/OP sowie nichtbettenführende Abteilungen) seien bisher dem Pflegedirektor unterstellt gewesen, der wiederum der Geschäftsführung unterstellt war. Künftig unterstehen die Departements direkt der Geschäftsführung.
Durch die Abschaffung des Pflegedirektors würden die Pflegedepartements eine Hierarchistufe nach oben gezogen, sagte der UMM-Sprecher. Zugleich gebe es für die Pflege in der Krankenhausbetriebsleitung zwei stimmberechtigte Mitarbeiter. Bisher habe es dort mit dem Pflegedirektor nur eine Stimme gegeben. „Wir werten die Pflege auf“, sagte der UMM-Sprecher weiter. Dass dadurch das Gehalt des bisherigen Pflegedirektors, über dessen Vertrag gerade intern verhandelt wird, eingespart werde, bezeichnete er als nicht maßgeblich. Es gehe vielmehr um flexiblere Handungsstrukturen.
Die Flexibilität unter den Pflegekräften wie etwa die Möglichkeit, einfacher Vertretungen für Pflegekräfte zu finden oder auf Unter- und Überkapazitäten bei einzelnen Abteilungen zu reagieren, sei auch für die Gründung der fünf Pflegedepartements entscheidend gewiesen, hieß es. Hintergrund sei auch, dass das Klinikum angesichts bestehender Defizite wieder eine schwarze Null schreiben will.
Der Deutsche Pflegerat (DPR) hatte das Klinikum schriftlich aufgefordert, die bekanntgewordenen Pläne zurückzunehmen. „Die pflegerische Kompetenz kann in der Unternehmensleitung weder von ärztlicher noch von kaufmännischer Seite eingebracht werden. Das Klinikum setzt mit seiner jetzigen Entscheidung ein falsches Signal“, erklärte DPR-Präsident Franz Wagner.
Problematisch, unverständlich und risikoreich
Die geplante Unterstellung der Profession Pflege in den Verantwortungsbereich der Ärzteschaft nannte er problematisch, unverständlich und risikoreich zugleich. „Sie widerspricht allen Forderungen der Berufsgruppe und der Politik nach einer nachhaltigen Entwicklung und einer höheren Eigenständigkeit sowie nach mehr Wertschätzung der Pflege“, so Wagner.
Der Verband der Pflegedirektoren und -direktorinnen an den Universitätskliniken und medizinischen Hochschulen in Deutschland (VPU) zeigte sich ebenfalls entsetzt über die Entscheidung des Universitätsklinikums. Aus Sicht des VPU sind die Verantwortlichen in Mannheim „sich der strategischen und betriebswirtschaftlichen Bedeutung der Pflegedirektion für das Universitätsklinikum nicht im Ansatz bewusst“, hieß es. „Schlimmer noch: Sie versuchen, den 1.300 Pflegenden die Entscheidung, die den Arbeits- und Entscheidungsbereich jedes einzelnen Pflegenden massiv abwertet, als eine Geste der Wertschätzung zu verkaufen“, kritisierte Torsten Rantzsch, Vorstandsvorsitzender des Managementverbands.
Entscheidung begünstigt Insellösungen
Hochleistungspflege, wie sie an diesen Häusern der Maximalversorgung geleistet werde, erfordere einen organ- und erkrankungsübergreifenden Ansatz sowie die klinikweite Einhaltung wissenschaftsbasierter Pflegestandards. Eine zentrale Organisation und Steuerung des Pflegedienstes sei unabdingbar und international etabliert. „Die Entscheidung, das zentrale Pflegemanagement aufzulösen und die entsprechenden Aufgaben an die einzelnen pflegerischen Departmentleitungen zu übertragen, fördert Insellösungen, verhindert betriebswirtschaftlich relevante Synergien und bremst die Professionalisierung der Pflege am Standort Mannheim aus“, so der VPU.
Rantzsch, langjähriger Pflegedirektor und Vorstand am Universitätsklinikum Düsseldorf, ist sicher, dass die Entscheidung nachhaltige Auswirkungen auf die Pflegequalität, die Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit, das Zertifizierungsergebnis – und auf die Wettbewerbsfähigkeit des Universitätsklinikums haben werden. Insbesondere im Wettbewerb um qualifizierte Pflegefachpersonen räumt Rantzsch dem Universitätsklinikum künftig geringe Chancen ein. „Mit der Entscheidung, das zentrale Pflegemanagement aufzulösen, hat sich das Universitätsklinikum Mannheim als attraktiver Arbeitgeber für qualifizierte Pflegefachpersonen selbst disqualifiziert“, so Rantzsch.
Berliner Erklärung
Kritik kam auch von der Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen in der Psychiatrie. Die wendete sich gestern in einer Berliner Erklärung, die 163 – vorwiegend – Pflegedirektoren in Psychiatrischen Krankenhäusern unterzeichnet haben, an die UMM. Darin äußerten sie die Erwartung von der Organisation der Krankenhausleitungen in Deutschland, die pflegerischen Expertise in der Geschäftsführung gleichberechtigt zu verordnen.
„Diese ausschließlich in die Verantwortung der kaufmännischen und ärztlichen Professionen zu geben, entspricht in keiner Weise der Relevanz des Pflegeberufes in seiner für die Unternehmensentscheidungen notwendigen fachlichen, organisatorischen und personellen Kompetenzen“, erklärten sie. Die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen ohne eine Pflegedirektion gestalten zu wollen, bezeichneten sie als „anachronistisch“. Dies werfe Krankenhäuser in das vorige Jahrhundert zurück. © may/aerzteblatt.de

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