Politik
Zuckersteuer sorgt für Streit in Regierungskoalition
Montag, 7. Mai 2018
Berlin – In der Großen Koalition gibt es Streit über eine Zuckersteuer. „Strafsteuern auf Zucker sind Augenwischerei und können das Problem nicht beheben“, sagte heute die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann (CDU). Sie reagierte damit auf Äußerungen der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar. Diese hatte am vergangenen Freitag gesagt, die Zuckersteuer sei „ein sehr sinnvolles Instrument“.
Connemann betonte, Übergewicht und Diabetes kämen nicht nur von Zucker, sondern hätten viele Ursachen wie genetische Veranlagung, mangelnde Bewegung und zu wenig Schlaf. Die Verbraucher müssten bewusster essen, sich mehr bewegen und schlafen, dann würden sie „höchstwahrscheinlich“ nicht dick. Eine Zuckersteuer sorgt ihrer Meinung nach aber nicht dafür, dass die Menschen ihr Ernährungsverhalten ändern.
Verweis aufs Ausland
Connemann betonte, wie wichtig „umfassende und verständliche Information“ der Verbraucher sei – „allerdings: ideologiefrei und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhend“. Dafür sei eine klare Lebensmittelkennzeichnung erforderlich, wofür sich das Bundeslandwirtschaftsministerium einsetze.
SPD-Expertin Dittmar hatte auf Studien aus Mexiko verwiesen, wonach eine Zuckersteuer helfe, Übergewicht in der Bevölkerung zu reduzieren. Connemann erklärte hingegen. „Auch in Mexiko hat die Strafsteuer auf Softdrinks nicht zu einem Durchbruch geführt“, sagte sie. Während sich Dittmar überwiegend optimistisch zeigte, dass eine Zuckersteuer in Deutschland noch in dieser Legislaturperiode eingeführt werde, verwies Connemann auf den Koalitionsvertrag, in dem sie nicht vereinbart ist.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert bereits seit Jahren eine Steuer auf Zucker in Lebensmitteln, wie sie etwa in Großbritannien vergangenen Monat eingeführt wurde. Auch ein Bündnis aus mehr als 2.000 Ärzten sowie Fachorganisationen und Krankenkassen hatte Mitte vergangener Woche an die Bundesregierung appelliert, eine Zuckersteuer, verständlichere Kennzeichnungen, Werbeverbote und Standards für die Schul- und Kitaverpflegung einzuführen.
Nur mit solchen Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor ungesunder Ernährung könnten auch bildungsferne Schichten erreicht werden, hieß es. Aufklärung allein reiche nicht. „Wir haben einfach keine Geduld mehr“, hatte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVJK), Thomas Fischbach, über die gemeinsame Initiative gesagt. Ärzte sähen, dass die Gesundheit der Menschen in Deutschland drastisch leide. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört ebenfalls zu den Befürwortern einer Zuckersteuer.
Klöckner erneuert Position gegen Zuckersteuer
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) stellt sich erneut gegen die Zuckersteuer. „Eine ausgewogene Ernährung ist keine Frage des Geldbeutels“, sagte sie der Bild am Sonntag. Eine Zuckersteuer klinge „vielleicht gut“, ob das aber die Fehl- und Überernährung verhindert, sei zu bezweifeln.
Klöckner gab sich überzeugt, dass es möglich ist, sich günstig gesund zu ernähren. „Eine ausgewogene Ernährung ist keine Frage des Geldbeutels.“ Fertigprodukte seien im Vergleich zu Rohwaren oft teurer. „Wer mit frischen Lebensmitteln selbst kocht, kann sich gesund und durchaus günstig ernähren“, sagte die Ministerin der Bild. „Mein Eindruck ist, dass viel mehr in die Kücheneinrichtungen investiert wird als in die Nahrungsmittel, die darin zubereitet werden.“
Viele Krankheiten gehen auf falsche Ernährung zurück
Mehr als die Hälfte aller Krankheiten ist nach unterdessen nach Ansicht von Experten durch einen ungesunden Lebensstil und falsche Ernährung mitbedingt. „Eine ausgewogene Ernährung ist essenziell für die Gesundheit“, sagte Christian Löser von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin heute in Kassel.
Eine ungesunde Ernährung begünstige hingegen nicht nur Übergewicht und Diabetes, sondern erhöhe auch die Gefahr für verschiedene Krebs- und Gefäßerkrankungen sowie für Herzinfarkt und Schlaganfall. Im Jahr 2016 seien weltweit zehn Millionen Menschen an den Folgen einer ungesunden Ernährung gestorben, hieß es unter Berufung auf die Studie „Global Burden of Disease (GBD)“. Löser äußerte sich mit Blick auf einen Fachkongress zum Thema Ernährung in Kassel, zu dem rund 1.500 Teilnehmer erwartet werden. © kna/dpa/afp/aerzteblatt.de

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