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Politik

Pflegende Kinder und Jugendliche brauchen mehr Unterstützung

Dienstag, 8. Mai 2018

/Peter Maszlen, stockadobecom

Berlin – Rund fünf Prozent der 12- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland pflegen regelmäßig ihre kranken oder pflegebedürftigen Familien­angehörigen zu Hause. „Diese Kinder verzichten auf vieles. Sie sollten sich nicht dafür schämen, ihrer Familie zu helfen, sondern sie brauchen unsere Unterstützung“, betonte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) gestern beim Fachtag „Kinder und Jugendliche in Pflegeverantwortung“, den die AOK Nordost in Berlin veranstaltete.

Allein in der Hauptstadt werden nach Angaben der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolak (SPD) knapp 58.000 Pflegebedürftige von ihren Angehörigen versorgt. 11.000 davon seien Kinder und Jugendliche, das bedeute hochgerecht ein bis zwei Schüler in einer Klasse. Für diese „jungen Pflegenden“ sei die Pflege zu Hause meist eine „massive Überforderung und eine Beeinträchtigung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten“, so Kolak.

„Es muss zu einem Bewusstseinswandel kommen, dass junge Pflegende selbst Unterstützung brauchen, um sie vor Überlastung zu schützen“, erklärte Daniela Teichert von der AOK Nordost. Teichert verwies unter anderem auf die Kinderbeauftragten, die sich in den 36 Berliner Pflegestützpunkten um die besonderen Probleme kümmerten.

„KiFam-Studie“ zum Umgang mit Krankheit in der Familie

Es gibt bisher für Deutschland kaum Forschung zu der besonderen Situation junger Pflegender. Eine „Pionierin“ in der Forschung zu diesem Thema ist nach Angaben der AOK Nordost Sabine Metzing, Professorin an der Universität Witten/Herdecke. Die Pflegewissenschaftlerin stellte die Ergebnisse der „KiFam-Studie“ zum Umgang mit Krankheit in der Familie vor, die kurz vor der Publikation stehen. Ziel des vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Forschungsvorhabens ist es, „einen Beitrag zur Entwicklung und Etablierung von Hilfsangeboten für pfle­gende Kinder und Jugendliche zu leisten“.

„Junge Pflegende schätzen ihre Lebensqualität deutlich schlechter ein als andere“, betonte Metzing vorweg. Befragen konnte ihr Studienteam zwischen 2015 und 2017 genau 6.313 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen zwischen zehn und 22 Jahren. 383 oder 6,1 Prozent der Befragten waren aktiv und regelmäßig in die häusliche Pflege von Familienangehörigen eingebunden; 64 Prozent davon waren Mädchen. Die meisten pflegten die Großeltern (33 Prozent), die Mutter oder die Geschwister zu gleichen Teilen (24 Prozent).

Körperliche chronische Erkrankungen stehen mit 38 Prozent an der Spitze der Krankheitsbilder der zu Pflegenden, gefolgt von neurologischen Erkrankungen (23 Prozent), Behinderungen (15 Prozent), onkologischen Erkrankungen (zwölf Prozent) und psychischen Erkrankungen (fünf Prozent). Die geringe Zahl an psychischen Erkrankungen führte Metzing darauf zurück, dass die befragten Schüler bei ihren Angaben eher die körperlichen Symptome in den Vordergrund stellten.

Pflegende Kinder von Alleinerziehenden übernehmen mehr Aufgaben

„Die meisten jungen Pflegenden der KiFam-Studie helfen im Haushalt (82 Prozent), bei der Mobilität (72 Prozent), beim An- und Ausziehen (40 Prozent), bei der Medika­menten­gabe (32 Prozent), der Nahrungsaufnahme (32 Prozent), der Körperpflege (25 Prozent) und auch bei der Intimpflege (elf Prozent). Pflegende Kinder von Allein­erziehenden übernehmen dabei grundsätzlich mehr Aufgaben, als Kinder, die mit zwei Elternteilen leben.

Auf die negativen Auswirkungen der häuslichen Pflege auf die schulischen Leistungen der betroffenen Kindern und Jugendlichen wies Anna Maria Spittel, Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Universität Oldenburg, hin: „Schulabsentes Verhalten, Müdigkeit und Konzentrationsmangel im Unterricht, häufiges Fehlen von Hausaufgaben führen häufig zu Leistungsabfall.“ Auf der anderen Seite seien junge Pflegende oftmals grundsätzlich sehr hilfsbereit und empathisch gegenüber anderen und hätten ein hohes krankheitsbezogenes Wissen.

Schule nimmt zentrale Rolle für Unterstützungsleistungen ein

Bislang sei die Unterstützung durch Lehrer für junge Pflegende oftmals eher „inadäquat“. Zudem seien die Betroffenen manchmal sogar dem Mobbing durch Mitschüler ausgesetzt. „Grundsätzlich nimmt Schule aber eine zentrale Rolle für Unterstützungs­leistungen ein, weil man die jungen Pflegenden dort erreichen kann“, erklärte Spittel. Wichtig wäre es ihrer Ansicht nach, institutionell übergreifende rechtliche Grundlagen in Kooperation mit Schule, Jugendamt und Pflege zu schaffen.

Spezielle Unterstützungsangebote für junge Pflegende gibt es bisher nur sehr wenige. Herausgestellt wurden auf der Fachtagung das Onlineportal www.pausentaste.de vom Bundesfamilienministerium, das Informationen und Beratungsangebote listet. Dort wird auch auf das Kinder- und Jugendtelefon, die „NummerGegenKummer“: 116111, hingewiesen. Informationen und anonyme Onlineberatung für Jugendliche in Berlin bietet auch www.echt-unersetzlich.de. © PB/aerzteblatt.de

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