Medizin
Wassertrinken kann Fortschreiten der Niereninsuffizienz in Studie nicht aufhalten
Donnerstag, 10. Mai 2018
London/Ontario – Die verbreitete Annahme, dass Menschen mit Nierenkrankheiten viel Wasser trinken sollten, um die schwindende Organfunktion zu erhalten, hat sich in einer randomisierten klinischen Studie im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2018; 319: 1870–1879) nicht bestätigt.
Der Ratschlag an Nierenkranke, viel zu trinken, ist keine bloße Volksweisheit. In Experimenten an Mäusen, deren Nieren fast vollständig entfernt wurden, konnte eine gesteigerte Wasseraufnahme die Restfunktion der Nieren erhalten und die Kreatinin-Clearance verbessern. Und in 3 Beobachtungsstudien war eine hohe Flüssigkeitsaufnahme mit einer besseren Nierenfunktion (und weniger Nierensteinen) assoziiert.
Im „Chronic Kidney Disease Water Intake Trial“ wurde die Hypothese jetzt erstmals in einer größeren randomisierten Studie untersucht. An der Studie nahmen an 9 Zentren in Kanada 631 Patienten teil, deren geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) auf 30 bis 60 ml/min/1,73 m2 abgefallen war und die zumindest eine leichte Eiweißausscheidung hatten (Stadium 3 einer chronischen Niereninsuffizienz mit Mikro-/Makroproteinurie). Die Auslöser der Nierenschwäche waren in fast 80 % der Fälle eine Hypertonie oder ein Diabetes mellitus. Glomerulonephritis oder andere spezifische Nierenerkrankungen waren seltener Ursache der eingeschränkten Nierenfunktion.
Die Hälfte der Teilnehmer wurde gebeten, zusätzlich zur normalen Flüssigkeitsaufnahme täglich 1 bis 1,5 Liter Wasser zu trinken. Die Sicherheit dieses Ratschlags war zuvor in einer Pilotstudie an 28 Patienten untersucht worden. Die Dauer der aktuellen Studie war 1 Jahr. Primärer Endpunkt war die Veränderung der eGFR.
Die Teilnehmer hielten sich trotzt Coaching nicht ganz an die Vorgaben. Die tägliche Urinproduktion war in der Hydratationsgruppe im Durchschnitt im 0,6 Liter höher als in der Kontrollgruppe. Am Ende des Jahres war die eGFR in dieser Gruppe um weitere 2,2 ml/min/1,73 m2 zurückgegangen. Der Abfall war damit größer als in der Kontrollgruppe, in der es nur zu einem Rückgang des eGFR um 1,9 ml/min/1,73 m2 gekommen war. Der Unterschied von 0,3 ml/min/1,73 m2 war nach den Berechnungen von William Clark vom Victoria Hospital in London/Ontario und Mitarbeitern mit einem 95-%-Konfidenzintervall von minus 1,8 bis 1,2 jedoch nicht signifikant, sodass die Wasserzufuhr den Patienten wohl nicht geschadet hat.
Genutzt hat die Hydratation jedoch ebenfalls nicht. Warum die Ergebnisse der tierexperimentellen Studien und die Beobachtungen in den epidemiologischen Studien nicht bestätigt werden konnten, ist nicht klar. Bei einer Teilnehmerzahl von mehr als 600 Patienten hätte ein Unterschied eigentlich erkannt werden müssen. Denkbar ist, dass die Wassermenge von 600 ml am Tag nicht ausreichte oder dass die Studiendauer von einem Jahr zu kurz war, um eine Wirkung zu erzielen.
Es könnte jedoch auch sein, dass eine Hydratation oberhalb der normalen täglichen Flüssigkeitszufuhr für eine normale Funktion der Nieren nicht erforderlich ist. Dass Hypothesen aus tierexperimentellen und epidemiologischen Studien in randomisierten Studie nicht bestätigt werden, ist in der Medizin nicht ungewöhnlich. © rme/aerzteblatt.de
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Muss es Wasser pur sein?
ersten Nierenbeckenentzündung gestellt. Früher wurde Bier verordnet auch im Krankenhaus.
Zur Kur neben den Brunnen, Wasser, ebenfalls Bier.
Hat sich das nicht bewährt?
Oder trinken heutzutage alle zuviel, so daß sich der Effekt ins Gegenteil verkehrte?

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