Politik
Suizidbeihilfe: Bundesregierung setzt Urteil nicht um
Montag, 14. Mai 2018
Hamburg – Die Bundesregierung weigert sich laut einem Bericht des Spiegel, ein umstrittenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umzusetzen. Das Gericht hatte im März 2017 geurteilt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Schwerstkranken den Kauf einer Selbsttötungsarznei in „extremen Notlagen“ nicht verwehren dürfe.
Mittlerweile sind 20 der 104 Patienten, die beim BfArM einen entsprechenden Antrag einreichten, gestorben, wie das Magazin unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion meldet. Bisher habe das BfArM über keinen der Anträge entschieden.
Hermann Gröhe (CDU), damals Bundesgesundheitsminister, hatte das Urteil scharf kritisiert. Ein von dem früheren Verfassungsrichter Udo di Fabio erstelltes Auftragsgutachten für das dem Ministerium nachgeordnete BfArM kam Anfang des Jahres zu dem Schluss, das Urteil sei verfassungsrechtlich nicht haltbar.
Über das weitere Vorgehen ist laut Spiegel bislang nicht entschieden. Die Beratungen seien „nicht abgeschlossen“, so das Bundesministerium für Gesundheit. Es könne jedoch „grundsätzlich nicht Aufgabe des Staates sein“, die Tötung eines Menschen „aktiv zu unterstützen“. Betroffenen stehe es frei, Rechtsanwälte ein zuschalten.
Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, warf der Regierung Zynismus vor. „Wer todkrank auf eine positive Entscheidung des Bundesinstituts hofft, will sich nicht mit Anwälten herumschlagen, sondern braucht eine klare Entscheidung.“ Zuletzt hatte die Deutsche Stiftung Patientenschutz gefordert, die Suizidentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu stoppen. „Auch der Staat darf sich nicht an Tötung beteiligen.“ © kna/aerzteblatt.de

Och nö, Salzer, nicht schon wieder!
https://www.bverwg.de/020317U3C19.15.0
"Urteil vom 02.03.2017 -
BVerwG 3 C 19.15
ECLI:DE:BVerwG:2017:020317U3C19.15.0
Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung
Leitsätze:
1. Der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung ist grundsätzlich nicht erlaubnisfähig.
2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Menschen, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln.
3. Im Hinblick auf dieses Grundrecht ist § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG dahin auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes ausnahmsweise vereinbar ist, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet.
4. Eine extreme Notlage ist gegeben, wenn - erstens - die schwere und unheilbare Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden ist, die bei dem Betroffenen zu einem unerträglichen Leidensdruck führen und nicht ausreichend gelindert werden können, - zweitens - der Betroffene entscheidungsfähig ist und sich frei und ernsthaft entschieden hat, sein Leben beenden zu wollen und ihm - drittens - eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung steht." (Zitat Ende)
Und weiter:
"Rechtsquellen
BtMG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, § 5 Abs. 1 Nr. 6, § 13 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2
EMRK Art. 8
Stichworte
Behandlungsabbruch; Betäubungsmittel; Erwerbserlaubnis; Fortsetzungsfeststellungsklage; Menschenwürde; Natrium-Pentobarbital; Palliativmedizin; Restitutionsklage; Selbstbestimmungsrecht; Selbsttötung; Sterbehilfe; Suizid; extreme Notlage; freie und ernsthafte Entscheidung; schwere und unheilbare Erkrankung; unerträglicher Leidensdruck; zumutbare Alternative;
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 02.03.2017 - 3 C 19.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:020317U3C19.15.0]"
Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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