Ausland
EU-Kommission verklagt Deutschland wegen schlechter Luft
Donnerstag, 17. Mai 2018
Brüssel – Die EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen zu hoher Stickstoffdioxid-Werte in vielen Städten. Deutschland und fünf weitere Länder hätten es versäumt, sich für die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzusetzen, sagte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella heute in Brüssel.
Vella hatte die Umweltminister von neun Ländern Ende Januar nach Brüssel geladen. Sie sollten Vorschläge unterbreiten, um die Luftqualität in den Städten rasch zu verbessern. „Die Kommission musste feststellen, dass die vorgeschlagenen zusätzlichen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Luftqualitätsnormen so schnell wie möglich einzuhalten“, begründete der maltesische EU-Kommissar die Anklage vor dem EuGH von sechs der neun Länder.
Nachrüstung verlangt
Die Vorschläge aus Deutschland beinhalteten unter anderem eine verstärkte Ausrüstung von Bussen mit Elektroantrieb. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wollte die Bundesregierung hingegen nach Möglichkeit vermeiden. Der Kommission reichte das nicht. Anders im Fall von Spanien, Tschechien und der Slowakei: Auch sie hatten Anfang des Jahres zusätzliche Maßnahmen vorstellen müssen, werden aber vorerst nicht in Luxemburg verklagt.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bedauerte die Entscheidung der Kommission. Nun seien größere und schnellere Fortschritte erforderlich. Nötig seien „so schnell wie möglich“ technische Nachrüstungen für Diesel-Pkw auf Kosten der Automobilhersteller, „denn die haben das Problem verursacht“, erklärte die Umweltministerin.
Auch der Deutsche Städtetag forderte rasche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. „Die nun beschlossene Klage zeigt den Ernst der Lage und macht sehr deutlich, dass die Stickstoffdioxid-Emissionen so schnell wie möglich sinken müssen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Hartmut Dedy. „Das ist die größte Blamage für die Bundesregierung, die man sich vorstellen kann“, analysierte der Autobranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Gesundheit der Menschen sei für die Bundesregierung Nebensache, „sonst hätte sie längst etwas gemacht“, sagte er.
Die Grünen begrüßten den Schritt der Kommission. „Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung europäische Vorgaben zum Schutz von Umwelt und Gesundheit über Jahre ignoriert“, erklärte Rebecca Harms, klimapolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Ihre Partei sowie die Linke und mehrere Umweltverbände sprachen sich außerdem für die Einführung einer blauen Plakette aus.
Mit dieser Plakette könnte älteren Modellen, die bestimmte Grenzwerte überschreiten, die Fahrt in gekennzeichnete Bereiche der Innenstädte untersagt werden. Ohne solche Maßnahmen würden die Einhaltung der seit 2010 geltenden NO2-Grenzwerte „weiter verschoben und die drohenden Strafzahlungen billigend in Kauf genommen“, erklärte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Die Klage der EU-Kommission bringe der Luftqualität in deutschen Städten „überhaupt nichts“, erklärte indes der stellvertretende Unionsfraktionschef Georg Nüßlein (CSU), der auch stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags ist. Die Luft in den Städten sauberer zu machen, lasse sich „nicht auf richterlichen Knopfdruck und mit Scheinlösungen wie Fahrverboten oder wie auch immer gefärbten Plaketten“ umsetzen.
Neben Deutschland stehen Frankreich, Großbritannien, Italien, Ungarn und Rumänien nunmehr in Luxemburg vor Gericht. Im Fall von Deutschland geht es hauptsächlich um erhöhte Stickoxidbelastung in Städten, die gesundheitsschädlich ist und dort in erster Linie von Dieselautos ausgeht. Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub sind in deutschen Städten bis auf Ausnahmefälle kein Problem mehr.
Im Juni 2015 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil in 28 Städten und Regionen Stickoxid-Grenzwerte an vielen Messstellen der Hauptverkehrsstraßen im Jahresschnitt übertroffen wurden. Bei einer Verurteilung könnten auf Deutschland hohe Strafzahlungen zukommen. © afp/aerzteblatt.de

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