Medizin
Ketogene Diät: Darmbakterien sorgen für weniger Anfälle bei Epilepsie
Dienstag, 29. Mai 2018
Los Angeles – Wissenschaftler haben Darmbakterien identifiziert, die eine essenzielle Rolle bei der krampflösenden Wirkung einer fettreichen und kohlenhydratarmen Ernährung spielen. Die in Cell publizierten Daten zur ketogenen Diät zeigen erstmals einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Rückgang epileptischer Anfälle und Darmmikrobiota in Mausversuchen (2018; doi: 10.1016/j.cell.2018.04.027).
Einige Studien weisen darauf hin, dass eine ketogene Diät epileptische Anfälle reduziert. Bei Patienten mit einer erblich bedingten Glukosetransporterstörung gilt sie sogar als evidenzbasierte Präzisonsmedizin. Aber auch bei Alzheimer, Parkinson und Autismus gibt es Anzeichen für einen positiven Effekt der Ernährungsform. Kinder, die nicht auf Antiepileptika reagieren, könnten daher von einer solchen Ernährung profitieren, sagt Elaine Hsiao von der University of California, Seniorautorin der Studie.
„Trotz der Empfehlung wird die Diät kaum in der Therapie eingesetzt, auch aufgrund der schwierigen Umsetzung und der Nebenwirkungen“, erklärt Felix Rosenow, Leiter des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main. Denn die Diät erfordere einen vollständigen Verzicht auf Kohlenhydrate, was Brot, Kartoffeln, Zucker und vieles mehr einschließt.
„Nierensteine und ein Vitaminmangel, der sich durch Ersatzpräparate ausgleichen lässt, sind eher selten“, berichtet der Neurologe weiter. Bei Kindern müsse man aber mit einem verminderten Wachstum rechnen, sowie erhöhten Blutfettwerten und einer gesteigerten Infektanfälligkeit. Der Urin von Kindern auf Diät sollte regelmäßig auf ein erhöhtes Calcium/Kreatinin-Verhältnis und Mikrohämaturie überprüft werden, empfehlen die Autoren einer Studie in Neurology and Pediatrics 2010 von der Johns Hopkins Medical Institution in Baltimore.
Kohlenhydratarme Diät könnte epileptische Anfälle verringern
Bethesda – Eine kohlenhydratarme Ernährungsweise mit hohem Fettanteil könnte die Anzahl epileptischer Anfälle reduzieren. Pavel Klein und seine Arbeitsgruppe am Epilepsy and Sleep Center in Bethesda berichten in einem Review in der Zeitschrift Neurology über Studien, die diesen Zusammenhang nahelegen (doi 10.1212/WNL.0000000000001004). Primäre epileptische Anfälle sind das Hauptsymptom (...)
Mit Ausnahme der Glukosetransporterstörung gab es bisher keine Erklärung, wie die Diät Patienten mit Epilepsie hilft. Forscher in Hsiaos Labor stellten die Hypothese auf, dass die ketogene Diät die Darmflora verändert und dadurch krampflösend wirkt. Im Mausmodell, das zur Erforschung von Epilepsie genutzt wird, fanden die Forscher heraus, dass die Nahrung die Zusammensetzung der Darmbakterien in weniger als 4 Tagen wesentlich veränderte. Gleichzeitig erlitten die Epilepsie-Mäuse deutlich weniger Anfälle.
Um den Einfluss der Darmflora auf Krampfanfälle zu testen, verglichen die Forscher die Auswirkungen der ketogenen Diät bei 2 Arten von Mäusen: Keimfreie Tiere, die in einer sterilen Laborumgebung lebten und solche, die mit Antibiotika behandelt wurden, um Darmmikroben zu entfernen. „In beiden Fällen stellten wir fest, dass die ketogene Diät die Krampfanfälle nicht länger aufhalten konnte“, sagte die Erstautorin Christine Olson. Die Darmbakterien werden folglich für die Ernährung benötigt, um Anfälle zu reduzieren, vermutet die Biologin.
2 Bakterienarten schützen vor epileptischen Anfällen
Die Forscher identifizierten 2 Arten von Bakterien, die durch die Nahrung erhöht wurden und eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung dieses Schutzes spielen: Akkermansia muciniphila und Parabacteroides-merdae-Arten. Erhielten die keimfreien Epilepsiemäuse diese beiden Bakterienarten, ging die Anzahl der Anfälle wieder zurück. Einzeln hatten Akkermansia muciniphila und Parabacteroides hingegen keine Wirkung.
Die Forscher untersuchten auch das Blut und den Hippocampus der Mäuse – eine Region des Gehirns, die eine wichtige Rolle bei der Bildung und Ausbreitung von Anfällen spielt. Unter einer ketogenen Diät erhöhten die Bakterien die Konzentration des inhibitorischen Neurotransmitters GABA relativ zu Glutamat, ein Neurotransmitter, der Neuronen aktiviert.
„Die Ergebnisse wären prinzipiell auf den Menschen übertragbar“, sagt Rosenow dem Deutschen Ärzteblatt. Wenn die Hypothese sich in klinischen Studien beim Menschen bestätigen würde, könnten möglicherweise gleich gute oder bessere Ergebnisse einer alleinigen Darmbakterientherapie erzielt werden, auch ohne die Diät und ihre Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen, ist der Neurologe überzeugt. © gie/aerzteblatt.de
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