Politik
Debatte um Dieselverbote gewinnt an Fahrt
Montag, 28. Mai 2018
Stuttgart – Bei den Bemühungen um saubere Luft in stark belasteten Großstädten rechnet der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Siegfried Balleis, nicht mit kurzfristigen Erfolgen. Die Maßnahmen des von ihm betreuten „Sonderprogramms Saubere Luft 2017–2020“ würden wahrscheinlich frühestens 2020 greifen, sagte Balleis in Nürnberg. Dann erwartet er aber erste greifbare Erfolge bei der Schadstoffsenkung.
Besonders schwierig sei die Lage in den am stärksten belasteten Städten. Dort wird es nach Balleis’ Einschätzung auf die Schnelle „keine durchschlagenden Erfolge“ geben. Grundsätzlich aber sieht er die Bundesregierung mit dem Sonderprogramm auf dem richtigen Weg. Fortschritte bei der Verringerung von Luftschadstoffen wie Stickoxiden erhofft sich der frühere Oberbürgermeister von Erlangen besonders von intelligenten Verkehrssteuerungssystemen. In diese sollen nach Angaben von Balleis allein 500 Millionen Euro fließen.
Fahrverbote nicht nur in Hamburg
Hamburg setzt vom 31. Mai an beschränkte Diesel-Fahrverbote auf zwei Straßenabschnitten durch. In einigen anderen Städten halten die Verwaltungen ähnliche Schritte nicht für ausgeschlossen, konkrete Vorhaben für Verbote gibt es aber bisher nicht. Wegen schlechter Luft drohen in Stuttgart aus Sicht von Juristen des Landes und der Stadt im nächsten Jahr erstmals Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.
Neben Experten des Landes kommen auch Juristen der Landeshauptstadt zu dem Schluss, dass im kommenden Jahr Fahrverbote verhängt werden könnten. Die Experten hatten sich demnach am vergangenen Donnerstag in einer interministeriellen Arbeitsgruppe zu möglichen Fahrverboten geäußert. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, hatte zuletzt angekündigt, das Land zur Durchsetzung der Verbote in Stuttgart zu zwingen.
Diskussion im Gutachten
Die Südwest Presse berichtete am vergangenen Samstag, dass ein noch unveröffentlichtes Gutachten der Landesregierung Fahrverbote ab 2019 für eine bessere Luft empfehle. Die beauftragte Kanzlei rate dem Land darin, ab Januar 2019 ein „zonenweites Verbot von Euro-drei- und -vier-Dieseln“ in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Damit sollen die Stickstoffdioxid-Grenzwerte eingehalten werden.
Dieselfahrzeuge der Kategorie Euro fünf sollen demnach ab September 2019 mit einem Fahrverbot für Innenstadtbereiche belegt werden. Allerdings könne diese Frist verlängert werden, sollte die Luft deutlich sauberer werden, schreibt das Blatt unter Berufung auf das ihr vorliegende Gutachten.
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums bestätigte, dass es eine juristische Bewertung von Juristen des Landes zu einem Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gebe. Ob tatsächlich die bei Fahrern von Dieselautos umstrittenen Fahrverbote angeordnet werden, ist letztlich Sache der Politik. In der grün-schwarzen Koalition sind die Fahrverbote umstritten. Die Stadt Stuttgart versucht seit Langem, die Schadstoffbelastung der Luft zu senken – mit dem Ziel, Fahrverbote zu verhindern. Ein Sprecher der Stadt Stuttgart verwies darauf, dass die Entscheidung über einen Luftreinhalteplan beim Land liege.
Im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht (Az.: BVerwG 7 C 30.17) in Leipzig auch mit Blick auf Stuttgart geurteilt, dass Fahrverbote zur Luftreinhaltung grundsätzlich erlaubt sind. Seit einigen Tagen liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Demnach müssen Verkehrsverbote dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. „Mithin ist ein Verkehrsverbot zeitlich gestaffelt nach dem Alter und Abgasverhalten der betroffenen Fahrzeuge und unter Einschluss von Ausnahmeregelungen einzuführen“, heißt in dem Urteil.
Ausnahmen vorgesehen
Wie die Südwest Presse berichtete, schlägt das Gutachten des Landes weitreichende Ausnahmen vor. „Alle Anwohner der Zone, Handwerker, Liefer- und Wirtschaftsverkehr“ sollten von den Fahrverboten ausgenommen werden, heißt es darin. Zudem könnte ein Fahrverbot abgewendet werden, wenn es im Sommer 2019 Prognosen gebe, nach denen die Grenzwerte auch ohne Einschränkungen für Euro-fünf-Fahrzeuge eingehalten werden können.
„Für uns gilt weiterhin das Ziel: Saubere Luft für unsere Städte und auch die Vermeidung von Fahrverboten“, sagte der CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart. Das Vorgehen werde mit dem Koalitionspartner besprochen. „Die starken Verbesserungen der Messwerte müssen laut Urteil in die weiteren Abwägungen einfließen“, sagte er. Auch die Frage der Standorte der Messstellen müsse geklärt werden.
Für die Opposition im Landtag warnten SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch und FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) vor Fahrverboten. Sie sollten die Finger lassen davon, sagte Rülke. Stoch forderte unter anderem weitere „Bemühungen auf Bundesebene, um eine wirksame Hardwarenachrüstung der betroffenen Fahrzeuge zu ermöglichen“.
Ein Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag sagte: „Die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts werden wir respektieren und umsetzen.“ Die wichtigsten Ziele für die Grünen sei eine „Verbesserung der Luftqualität, das Vermeiden von Verkehrsbeschränkungen und ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr“. © dpa/aerzteblatt.de

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