Politik
Telematikinfastruktur: Bundesgesundheitsministerium hält an Terminplanung fest
Mittwoch, 30. Mai 2018
Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hält daran fest, dass Ende dieses Jahres alle Arztpraxen an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind. Das hat eine Sprecherin dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) auf Nachfrage erklärt. Man gehe davon aus, dass alles wie geplant weiterlaufe und alles zeitnah umgesetzt werde. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte erst kürzlich betont, dass er weiterhin auf die TI und auch die elektronische Gesundheitskarte (eGK) setze. Das hatte er auch in einem Brief an die Spitzenverbände der Krankenkassen und Ärzte klargestellt.
Das Ministerium stellt sich mit den Aussagen gegen einen Bericht des ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus, der heute Abend gesendet werden soll. In diesem heißt es, es werde aus logistischen Gründen kaum noch möglich sein bis zum Jahresende 2018 alle Arztpraxen mit der entsprechenden Technik auszurüsten. Das Magazin beruft sich auf eigene Recherchen bei Ärztevertretern und Herstellern. Bisher seien von rund 100.000 Praxen in Deutschland erst 20.000 mit der Infrastruktur für die eGK ausgestattet, hieß es weiter.
Die CompuGroup Medical SE (CGM) wies als einer der Hersteller der notwendigen technischen Ausstattung die logistischen Probleme zurück. Man sei in der Lage bei entsprechender Nachfrage, alle Arztpraxen, auch die die nicht CGM-Praxissoftware einsetzten, bis zum Dezember 2018 an die TI anzubinden. „Fast 20.000 Praxen nutzen die TI bereits täglich und damit die Online-Prüfung der eGK und mehr als 27.000 Praxen haben sich bereits für die Anbindung entschieden“, so CGM.
KBV bestätigt Größenordnung der Zahlen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bestätigte auf DÄ-Nachfrage die Größenordnung der Zahlen. „Anfang Mai sind wir von zirka 15.000 angeschlossenen Praxen ausgegangen. Wie viele Konnektorenbestellungen vorliegen, können wir nicht sagen“, sagte ein KBV-Sprecher. Er verwies weiter darauf, dass es nach wie vor nur einen einzigen Anbieter für die Konnektoren gibt, die für den Anschluss an die TI notwendig sind. „Es bleibt zu hoffen, dass die Industrie ihren Aufgaben nachkommt und nicht nur rechtzeitig weitere Anbieter auf den Markt treten, sondern ebenso die Ausstattung der Praxen schnell erfolgt“, erklärte er.
Die KBV-Vertreterversammlung (KBV-VV) hatte zuletzt gefordert, die Frist für die vollständige Anbindung der Arztpraxen an die TI zu verlängern. Wegen fehlender Komponenten werde ein vollständiger Anschluss der Praxen an die TI-Infrastruktur nicht bis Ende 2018 möglich sein, hieß es von der KBV-VV. Die Politik werde aufgefordert, die Sanktionen für die Praxen mindestens bis zum 30. Juni 2019 auszusetzen. Den Ärzten drohen derzeit Sanktionen durch einen Honorarabzug von einem Prozent, wenn das Versichertenstammdatenmanagement nicht ab Januar 2019 über die TI durchgeführt werden kann.
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Der GKV-Spitzenverband betonte auf Anfrage des DÄ, dass die Anbindung aller Arzt- und Zahnarztpraxen an das sichere Gesundheitsnetz seit Kurzem stattfindet. „Ob dies bis Ende des Jahres abgeschlossen sein wird, liegt alleine in der Verantwortung der Industrie“, erklärte eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbands.
Sie führte aus, es sei auch nicht verständlich, warum man ausgerechnet den Prozess – Aufbau eines sicheren Netzes zwischen verschiedenen Institutionen – stoppen oder verschieben sollte. „Denn selbst wenn es Änderungen bei der eGK geben sollte, braucht es ein sicheres Netz. Es sei denn, man will den Schutz der Sozialdaten völlig aufgeben und alle Daten direkt bei privaten Anbietern wie Google, Amazon und Co. hinterlegen. Das sehe ich jedoch nicht“, so die Sprecherin.
Gesetzesänderung notwendig
Die Krankenkassen erklärten zugleich, dass es nicht mehr zeitgemäß sei, die eGK als einziges Authentifizierungsmittel für das sichere Gesundheitsnetz zuzulassen. „Um hier die Möglichkeiten zu erweitern, braucht es allerdings eine Gesetzesänderung“, erklärten die Krankenkassen. Das Smartphone spiele in der digitalen Kommunikation eine zentrale Rolle, das Gesundheitswesen müssye gemeinsam mit der Politik schneller als bisher auf den digitalen Fortschritt reagieren. Wie die Sprecherin erklärte, ist es das Ziel der Krankenkassen, dass die Versicherten jederzeit über eine App an ihre Patientendaten kommen. „Jeder Versicherte muss Herr über seine eigenen Daten sein und diese unkompliziert über seinen eigenen Computer oder sein Smartphone lesen können“.
Von der KBV hieß es dazu, man würde unter heutigen technischen Möglichkeiten die TI „vermutlich anders aufsetzen“. Allerdings sei die Karte immer noch ein vergleichsweise sicheres Medium. „Wir können uns vorstellen, mobile Zugänge als zusätzliche Optionen für Versicherte anzubieten“, sagte der Sprecher. Auch Minister Spahn hatte mobile Anwendungen als zusätzliche Möglichkeit neben der eGK genannt, um die Gesundheitsdaten zu nutzen.
Kosten bei 1,8 Milliarden Euro
Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg, bezeichnete in der ARD die elektronische Gesundheitskarte insgesamt als „großes Trauerspiel“. Sie sei vor 15 Jahren beschlossen worden und immer noch in den Anfängen. Es sei „höchste Zeit für eine wirklich kritische Bestandsaufnahme, ob es sich lohnt, diesen Weg weiterzugehen“, sagte er.
Der GKV-Spitzenverband bezifferte die Anlaufkosten für die Telematikinfrastruktur und die eGK bis Ende vergangenen Jahres nach vorläufigen Berechnungen auf 1,8 Milliarden Euro. Die Berechnungen von Plusminus, wonach die Kosten bis Ende 2018 auf mehr als zwei Milliarden Euro ansteigen, kommentierten die Krankenkassen nicht. © may/kna/aerzteblatt.de

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