Politik
Gesundheitsberufe wünschen sich bessere Bezahlung im Kampf gegen Nachwuchsmangel
Freitag, 8. Juni 2018
Berlin – Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Pflegende haben gestern beim Hauptstadtkongress eine bessere Vergütung gefordert, um dem Nachwuchsmangel und der Unzufriedenheit in ihren Berufsgruppen zu begegnen. Jeder vierte Therapeut sei aus seinem Beruf ausgestiegen, fast die Hälfte denke darüber nach, sagte Sabine Hammer, Leiterin des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften der Hochschule Fresenius in Idstein. Das habe eine Untersuchung der Hochschule ergeben, bei der im vergangenen Jahr 1.000 ehemalige und aktiv tätige Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten befragt wurden.
„Einer der wichtigsten Gründe für den Ausstieg ist das Gehalt“, sagte Hammer. Das liege mit durchschnittlich 2.000 Euro brutto im Monat deutlich unter zum Beispiel den Pflegeberufen. Es erhöhe sich auch dann nicht, wenn ein akademischer Berufsabschluss vorliege, kritisierte die Therapiewissenschaftlerin. Weitere Gründe für den Berufsausstieg seien der Befragung zufolge fehlende berufliche Perspektiven und geringe Aufstiegschancen. Lösungsansätze für die zunehmende Berufsunzufriedenheit sieht Hammer neben einer besseren Bezahlung in der Akademisierung, die mehr Autonomie in der Berufsausübung ermögliche, und dem Direktzugang der Patienten zum Therapeuten.
Modellprojekte zur Blankoverordnung werden zu wenig umgesetzt
Der Gesundheitspolitiker Roy Kühne (CDU) verwies auf erste Verbesserungen für die Therapeuten durch das Heil- und Hilfsmittelgesetz von Februar 2017. Es sieht unter anderem, befristet auf drei Jahre, eine bessere Vergütung vor. Außerdem ermöglicht es Modellprojekte zur Blankoverordnung von Heilmitteln. Demnach bestimmt der Therapeut Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Häufigkeit der Behandlungen. In jedem Bundesland sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers ein Modellvorhaben geben. Davon sei man in der Realität aber weit entfernt, kritisierten Teilnehmer der Veranstaltung.
„Mit dem Gesetz sind die Probleme der Gesundheitsberufe ins öffentliche Bewusstsein gedrungen“, hielt Kühne dem entgegen. Allerdings räumte er auch ein, dass die Honorare der Therapeuten noch nicht auskömmlich seien. Zugleich erklärte er, die Modellvorhaben zur Blankoverordnung würden de facto schon gelebt. Dasselbe gelte für den Direktzugang zum Therapeuten. „Das Vertrauen der Patienten ist offenbar vorhanden. Das müssen wir in die Legalität überführen und angemessen bezahlen“, sagte Kühne. Ute Repschläger, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten, untermauerte dies mit Zahlen: „60 Prozent unserer Mitglieder machen eine Heilpraktikerausbildung, damit der Direktzugang legal ist.“
Auch in der Pflege verlassen viele den Beruf, „weil sie nicht mehr können oder wollen“, sagte Thomas Meißner, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des Anbieterverbandes qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen. Auch er erklärte, die Pflege müsse die Attraktivität des Berufes für den Nachwuchs über eine gute Ausbildung, eine fortschreitende Akademisierung und eine Weiterentwicklung des Berufsstandes in Pflegekammern steigern.
„Wir müssen die Arztzentrierung in der Versorgung überwinden“, sagte Meißner. Es gehe darum, im Team zusammenzuarbeiten – und zwar jeder seiner Kompetenz entsprechend. „Dann können wir auch wieder mehr Menschen für den Beruf begeistern“, meinte er. Jede Kompetenz finde ihren Platz in der Versorgung. Dass sich bei der Aufgabenverteilung zwischen Ärzten und Gesundheitsberufen so wenig bewege, sei eine Geld- und Machtfrage, ist Meißner überzeugt.
So habe der Gemeinsame Bundesausschuss bereits 2013 eine Richtlinie zur Substitution in der Pflege erarbeitet. „Wir haben aber bislang weder eine Krankenkasse noch eine Kassenärztliche Vereinigung gefunden, die das Modell erproben will“, kritisierte Meißner. „Wir schaffen den großen Wurf nicht.“ © HK/aerzteblatt.de

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