Medizin
Ketoazidose: Schnelle Volumensubstitution fördert Hirnödem nicht
Montag, 18. Juni 2018
Sacramento – Die Vorbehalte vieler Intensivmediziner gegen einen schnellen Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich bei einer diabetischen Ketoazidose haben sich in einer randomisierten kontrollierten Studie im New England Journal of Medicine (2018; 378: 2275–2287) nicht bestätigt. Weder die Infusionsrate noch der Natriumchloridgehalt der intravenösen Flüssigkeiten hatten einen Einfluss auf die Häufigkeit neurologischer Komplikationen.
Ein Typ-1-Diabetes kommt für die meisten Familien überraschend. Die typischen Symptome starker Harndrang, übermäßiger Durst, Heißhunger und körperliche Schwäche werden häufig fehlgedeutet. Etwa die Hälfte der Patienten sucht erst dann einen Arzt auf, wenn es aufgrund der vermehrten Glukoseausscheidung über die Nieren und der damit verbundenen Diurese zu einem extremen Flüssigkeitsverlust gekommen ist und die vermehrte Produktion von Ketonkörpern in der Leber zu einer Übersäuerung des Blutes geführt hat.
Diese diabetische Ketoazidose ist eine lebensgefährliche Komplikation. Besonders gefürchtet wird ein Hirnödem, zu dem es aufgrund eines vermehrten Austritts von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen ins Hirngewebe kommt. Viele Intensivmediziner befürchten, dass ein allzu rascher Ausgleich des Flüssigkeitsmangels das Hirnödem verstärken könnte, da eine verminderte Osmolalität den Austritt von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen verstärkt.
Die Leitlinien raten deshalb zu einer langsamen Infusion einer isotonischen Kochsalzlösung. Diese Strategie hat jedoch den Nachteil, dass mehr Zeit bis zum vollständigen Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich vergeht, was den jungen Patienten ebenfalls schaden könnte.
Das US-amerikanische Pediatric Emergency Care Applied Research Network hat jetzt in einer randomisierten Studie in einem 2x2-Design verschiedene Infusionsstrategien untersucht. Zum einen wurde eine langsame mit einer schnellen Infusionsrate verglichen. Zum anderen erfolgte der Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich entweder mit einer hypotonen (0,45-prozentigen) oder einer isotonen (0,9-prozentigen) Kochsalzlösung.
An der Studie nahmen an 13 US-Zentren 1.255 Kinder teil, bei denen es zu 1.389 Episoden einer diabetischen Ketoazidose gekommen war.
Wie Nathan Kuppermann von der Davis School of Medicine in Sacramento und Mitarbeiter berichten, kam es insgesamt in allen Gruppen selten zu einer deutlichen Verschlechterung des mentalen Status. Der primäre Endpunkt, der definiert war als 2 aufeinanderfolgende Glasgow-Coma-Scale-Scores von unter 14 Punkten, trat nur in 48 Episoden (3,5 %) auf. Zu einer klinisch manifesten Hirnschädigung kam es nur in 12 Fällen (0,9 %). Ein Patient starb.
Weder die Geschwindigkeit der intravenösen Rehydration noch die Kochsalzkonzentration hatten einen Einfluss auf die Endpunkte. Tatsächlich trat der primäre Endpunkt nach der raschen Infusionsrate tendenziell seltener auf (relatives Risiko 0,76; 95-%-Konfidenzintervall 0,44 bis 1,33) und auch eine niedrigere Kochsalzkonzentration könnte vorteilhaft sein (relatives Risiko 0,76; 0,44–1,33). Da die Unterschiede jedoch nicht signifikant waren, kann daraus keine Empfehlung abgeleitet werden.
An ausgewiesenen Zentren, in denen die Kinder optimal behandelt werden, scheint die rasche Dehydrierung mit einer hypotonen Kochsalzlösung eine sichere Strategie zu sein, auch wenn die Ergebnisse der Studie unter Experten sicherlich noch Gegenstand von kontroversen Diskussionen sein dürften. Dabei wird es auch um die Pathogenese des Hirnödems gehen. Sie wird nach neueren Ergebnissen aus tierexperimentellen Studien eher durch eine Ischämie infolge der extremen Dehydrierung und einem anschließenden Reperfusionsschaden verursacht und nicht durch eine verminderte Osmolalität als Folge des raschen Flüssigkeit und Elektrolytausgleichs. © rme/aerzteblatt.de
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