Politik
Kampf um mehr Pflegekräfte: Minister geben sich ein Jahr Zeit für konkrete Verbesserungen
Dienstag, 3. Juli 2018
Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) haben heute in Berlin den Startschuss zur „Konzertierten Aktion Pflege“ gegeben, die Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatten. Zusammen mit Kommunen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, Kirchen, Verbänden der Leistungserbringer, Krankenkassen und Berufsverbänden wollen die drei Minister innerhalb eines Jahres Maßnahmen verabreden, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen und mehr Menschen für eine Arbeit in der Pflege zu interessieren.
Heute kamen alle Beteiligten zu einer ersten Sitzung zusammen, bei der fünf Arbeitsgruppen gebildet wurden. Unter der Federführung des Bundesgesundheitsministeriums stehen die Arbeitsgruppen „Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung“, „Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung“ und „Pflegekräfte aus dem Ausland“. Die Arbeitsgruppe „Ausbildung und Qualifizierung“ steht unter der Federführung des Bundesfamilienministeriums und die Arbeitsgruppe „Entlohnungsbedingungen in der Pflege“ unter der Federführung des Bundesarbeitsministeriums.
Wir haben verstanden. Und wir wollen konkret etwas im Arbeitsalltag der Pflegenden verändern. Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister
„Wir spüren, dass es in der Pflege eine Vertrauenskrise gibt und dass uns die Pflegekräfte nicht abnehmen, dass wir wissen, wie die Lage bei ihnen ist“, sagte Spahn vor Journalisten im Anschluss an das Treffen. „Unser klares Signal ist: Wir haben verstanden. Und wir wollen konkret etwas im Arbeitsalltag der Pflegenden verändern.“
„Die Pflegekräfte leisten viel, sie haben höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Entlastung im Alltag mehr als verdient“, sagte Giffey. Pflegen nach der Stoppuhr müsse dabei ein Ende haben. Gute Pflege brauche Zeit, um für Menschen da sein zu können. Sie betonte, dass es wieder cool sein müsse, als Pflegekraft zu arbeiten. Deshalb müsse sich das Image der Pflege verbessern.
Qualifizierte Zuwanderung
Wenn es darum gehe, mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, liege der erste Fokus auf Menschen aus dem Inland, betonte die Familienministerin. Heil ergänzte: „Wir müssen den Bedarf an Fachkräften, wo immer es geht, mit Menschen decken, die bereits in Deutschland sind: die schon immer hier gelebt haben oder die in den vergangenen Jahren zu uns gekommen sind.“ Darüber hinaus brauche es eine qualifizierte Zuwanderung. Heil sprach sich für ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz aus, mit dem es qualifizierten Fachkräften leicht gemacht werde, nach Deutschland zu kommen und hier zu arbeiten.
Dabei gehe es um junge ausgebildete Pflegekräfte, die in ihrem Heimatland keine Chance haben zu arbeiten, erklärte Spahn. Mit diesen Ländern, die eine junge Bevölkerungsstruktur haben, müsse Deutschland Regelungen treffen, die zum Nutzen beider Seiten seien.
Heil betonte, dass die Politik darauf hinwirken wolle, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften eine bessere Bezahlung vereinbaren. Das sei jedoch nicht leicht. Denn die Arbeitgeberseite sei zum Beispiel mit privaten, gewinnorientierten, mit kirchlichen oder staatlichen Arbeitgebern sehr zerklüftet. Und der gewerkschaftliche Organisationsgrad sei in der Pflege nicht hoch. 80 Prozent der Pflegenden arbeiteten nicht tarifgebunden.
Aus einer flächendeckend besseren Bezahlung in der Altenpflege würden sich höhere Ausgaben für die Pflegeversicherung ergeben, sagte Spahn. Um welche Größenordnung es sich dabei handle, könne heute noch niemand sagen.
Zustimmung von Akteuren im Gesundheitswesen
Der Beginn der Konzertierten Aktion stieß auf ein positives Echo bei den Akteuren im Gesundheitswesen. „Der Deutsche Pflegerat begrüßt die Konzertierte Aktion Pflege“, erklärte der Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR), Franz Wagner. „Deren geplanter Auftrag und Ziel liegen nahe an dem von uns geforderten Masterplan für die Pflegeberufe. Es ist allerhöchste Zeit aktiv zu werden, denn die Probleme zur Sicherung der pflegerischen Versorgung werden täglich größer.“ Der Deutsche Pflegerat und einige seiner Mitgliedsverbände würden sich sowohl im Dachgremium als auch in den fünf Arbeitsgruppen an der Entwicklung sinnvoller und nachhaltiger Lösungen beteiligen.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, bewertet den Beginn der Aktion als längst überfälligen Schritt. „Die Bundesregierung hat erkannt, dass die Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Deutschland ohne schnelles und entschlossenes Handeln nicht sichergestellt ist. Zudem begrüßen wir es, dass unser Vorschlag aus dem Jahr 2001 zur aktiven Gewinnung von ausländischen Pflegefachkräften nun endlich politische Unterstützung findet.“
„Mit der Konzertierten Aktion geht die Bundesregierung den richtigen Weg“, meinte der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer. „Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass die Versorgung der Pflegebedürftigen besser, die Unterstützung für die pflegenden Angehörigen intensiver und die Rahmenbedingungen für die Pflegenden weiter entwickelt werden.“
Endlich anpacken
Der Opposition geht es bei den Verbesserungen nicht schnell genug. Es gebe bereits viele Vorschläge, wie die Zahlung von Prämien zur Entlastung von Pflegekräften, die sofort umsetzbar seien, hieß es von den Grünen. „Es muss nur endlich jemand tun“, sagte Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik. „Herr Spahn sucht jedoch lieber das Rampenlicht. Der Pflegepersonalnotstand braucht mehr Konkretes und weniger Theaterdonner.“
Die Sprecherin für Pflegepolitik der Linke-Fraktion, Pia Zimmermann, forderte einen Systemwechsel. Pflege gehöre in die kommunale Hand. „Solange schlechte Pflege gute Rendite bringt, wird sich an den katastrophalen Zuständen in deutschen Pflegeheimen nichts ändern“, so Zimmermann.
© fos/may/kna/aerzteblatt.de
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