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Politik

Barmer will Arzneimitteltherapie sicherer machen

Donnerstag, 5. Juli 2018

/dpa

Berlin – Für mehr Sicherheit bei der Therapie von Patienten, die mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, will die Barmer sorgen. Das hat deren Vorstandsvorsitzender Christoph Straub heute anlässlich der Vorstellung des Arzneimittelreports der Kranken­kasse in Berlin angekündigt. Demnach nahm im Jahr 2016 jeder vierte Versicherte der Barmer fünf oder mehr Wirkstoffe gleichzeitig ein. Für die Arzneimittelverordnungen waren dabei bei zwei Dritteln der Betroffenen drei oder mehr Ärzte verantwortlich.

Mit der Zahl der eingenommenen Wirkstoffe erhöhe sich für die Patienten aber auch die Zahl der möglichen Wechselwirkungen, insbesondere dann, wenn Medikations­pläne unvollständig seien und Informationen über die von verschiedenen Ärzten verordneten Medikamente oder die vom Patienten in der Apotheke selbst gekauften Arzneimittel fehlten, sagte Straub. Polypharmazie berge Risiken, die es zu minimieren gelte. Denn der größte Teil der unerwünschten Arzneimittelwirkungen sei vermeidbar.

Elektronische Unterstützung erleichtert Überblick

Straub betonte, es gehe der Barmer nicht um einseitige Schuldzuweisungen an die Ärzte. Der Arzneimittelreport belege, dass Barmer-Versicherten im Jahr 2016 rund 1.860 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe verordnet wurden. Würden dabei zwei Arzneimittel zusammen verabreicht, führe das zu möglichen 450.000 verschiedenen Kombinationen. „Dass der Arzt hier die Risiken ohne Hilfsmittel immer korrekt einschätzt, ist schlichtweg nicht realistisch“, meinte Straub.

Zur Unterstützung der Ärzte habe die Barmer deshalb zusammen mit der Kassen­ärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe das Modellprojekt AdAM – „Anwendung für digital unterstütztes Arzneimittel-Therapie-Management“ – aufgelegt, das vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses drei Jahre lang mit 16 Millionen Euro gefördert werde.

In diesem Rahmen werden dem Hausarzt aus Abrechnungsdaten der Barmer für die Behandlung notwendige Informationen zu allen verordneten Arzneimitteln und bestehenden Erkrankungen zugänglich gemacht. Außerdem erhält der Arzt elektronische Unterstützung bei der Prüfung der Medikation auf vermeidbare Risiken und Fehler. Um auch den Patienten einen besseren Überblick über ihre Medikation zu verschaffen, erhalten diese neben einer Aufstellung ihrer Medikamente zusätzliche Informationen über die richtige Einnahme der Präparate.

Seit Februar haben sich nach Angaben der Barmer bereits 650 Hausärzte aus Westfalen-Lippe in das Modellprojekt eingeschrieben. Die für das Projekt infrage kommenden Patienten informiert die Krankenkasse über die Teilnahmemodalitäten. „Dieser Ansatz hat die Chance, breit ausgerollt und Teil der Regelversorgung zu werden“, erklärte Straub.

Therapieleitlinien müssen besser koordiniert werden

Dass eine Weiterentwicklung der Behandlungsprozesse nötig sei, betonte auch der Autor des Barmer-Arzneimittelreports Daniel Grandt, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I am Klinikum Saarbrücken und Mitglied im Vorstand der Arzneimittel­kommission der deutschen Ärzteschaft. Die Entwicklung der Sicherheitsmechanismen in der Arzneitherapie habe mit ihren Fortschritten nicht Schritt gehalten. Grandt wies in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Problem hin: Therapieleitlinien für jeweils einzelne Erkrankungen seien oft schlecht kombinierbar.

„Auch Experten wissen hier häufig nicht weiter und überlassen das Problem dem Hausarzt zur Lösung“, erklärte Grandt. Im Rahmen von AdAM sei es nun gelungen, koordiniert durch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin mehr als 20 medizinische Fachgesellschaften dafür zu gewinnen, gemeinsam praxistaugliche Handlungsempfehlungen bei Polypharmazie zu entwickeln.

Ausgabensteigerungen gehen auf höhere Preise zurück

Grandt zufolge gab die Barmer im vergangenen Jahr 5,47 Milliarden Euro für Arzneimittel aus, ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl verordneter Arzneimittel sei dabei um 0,7 Prozent gestiegen, der durchschnittliche Preis um 3,3 Prozent. „Ausgabensteigerungen sind damit zu 85 Prozent auf höhere Preise zurückzuführen“, sagte Grandt.

Immer teurere Arzneimittel seien dafür verantwortlich, dass für ein Prozent der Versicherten im Jahr 2017 rund 40 Prozent der Arzneimittelausgaben aufgewendet wurden. Dabei hätten hochpreisige Onkologika einen wesentlichen Anteil an der Kostensteigerung. Diesen Mehrausgaben stehe allerdings nicht immer ein entsprechender Nutzen gegenüber, kritisierte Grandt. Hier bestehe Nachsteuerungs­bedarf auf Systemebene.

© HK/aerzteblatt.de

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