Medizin
Studie: Low-dose ASS schützt nur normalgewichtige Menschen vor Schlaganfall und Herzinfarkt
Freitag, 13. Juli 2018
London – Die tägliche Einnahme von 75 bis 100 mg Acetylsalicylsäure (ASS), die häufig zur Primär- oder Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet wird, erreicht ihr Ziel laut einer Meta-Analyse im Lancet (2018; doi: 10.1016/S0140-6736(18)31133-4) nur bei Erwachsenen mit einem Körpergewicht von unter 70 kg. Für Adipöse könnten höhere Dosierungen erforderlich sein, was aber auch die Risiken erhöhen könnte.
Seit längerem ist bekannt, dass das zur kardiovaskulären Prävention empfohlene „low-dose“-ASS die Thrombozyten-Aggregation bei vielen Menschen nur unzureichend hemmt. Als Gründe werden neben einer Nichteinnahme durch den Patienten ein vermehrter Abbau und damit verbunden eine gesteigerte Produktion von Thrombozyten bei Diabetikern, Wechselwirkungen mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, eine verminderte Bioverfügbarkeit aus magensaftresistenten Formulierungen und auch eine Adipositas diskutiert.
Ein Team um Peter Rothwell von der Universität Oxford hat den Einfluss des Körpergewichts jetzt in einer Meta-Analyse untersucht. Die Untersuchung umfasste neun Studien zur kardiovaskulären Primärprävention mit etwa 103.000 Patienten und vier Studien zur Sekundärprävention mit etwa 13.000 Patienten.
Ergebnis: Niedrig dosiertes Aspirin (75 bis 100 mg/Tag) senkte die Rate von kardiovaskulären Ereignissen nur bei Personen mit einem Körpergewicht von unter 70 kg. Die Hazard Ratio von 0,75 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,65 bis 0,85 hoch signifikant.
Bei einem Körpergewicht von 70 kg oder mehr war keine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse mehr nachweisbar (Hazard Ratio 0,95; 0,86-1,04). Bei diesen Personen kam es tendenziell häufiger zu vaskulären Todesfällen (Hazard Ratio 1,09, 0,93-1,29) und die Case-Fatality-Rate war nach den Berechnungen von Rothwell sogar signifikant erhöht (Odds Ratio 1,33; 1,08-1,64).
Höhere Dosen von Aspirin (325 mg oder höher) erzielten dagegen bei Personen über 70 kg eine protektive Wirkung.
Auch in der langfristigen Darmkrebs-Prävention, einer weiteren wenn auch nicht unumstrittenen Indikation für die Einnahme von ASS, war die Schutzwirkung abhängig von der Dosis. Die Grenze für die präventive Effektivität von „Low-dose“-ASS scheint hier bei 80 kg Körpergewicht zu liegen.
Für besonders schlanke Menschen, könnte eine Tagesdosis von 75 bis 100 mg ASS bereits zu hoch sein. Für Personen mit einem Gewicht unter 50 kg ermittelt Rothwell eine Hazard Ratio von 1,52, allerdings aufgrund der geringen Anzahl der Personen mit einem weiten 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,04 bis 2,21.
Bei Teilnehmern im Alter über 70 versagte die krebspräventive Wirkung. Das 3-Jahres-Krebsrisiko wurde in dieser Altersgruppe durch Aspirin sogar erhöht (Hazard Ratio 1,20; 1,03-1,47), insbesondere bei Patienten mit einem Körpergewicht von weniger als 70 kg (Hazard Ratio 1,31; 1,07-1,61) und damit auch bei Frauen (1,44; 1,11-1,87).
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit einem höheren Körpergewicht eine höhere ASS-Dosis benötigen. Diese Hypothese müsste jedoch durch kontrollierte Studien geprüft werden, da die präventive Wirkung immer gegen das Risiko von Blutungen abgewogen werden muss, die im intestinalen Bereich tödlich sein können. © rme/aerzteblatt.de
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