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Ärzteschaft

Notaufnahme: Gassen spricht sich für Gebühr aus

Montag, 16. Juli 2018

/dpa

Berlin – Um überflüssige Besuche in der Notaufnahme von Krankenhäusern zu verhindern, will der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, notfalls eine Gebühr von den Patienten verlangen. Er stellt sich damit hinter verschiedene Kassenärztliche Vereinigungen (KVen), die diese Forderung öffentlich gestellt hatten.

„Eine finanzielle Steuerung wäre genau der Hebel, der helfen würde. In vielen anderen Ländern Europas ist so etwas längst üblich“, sagte Gassen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wenn sich bestimmte Patienten dem Angebot der niedergelassenen Ärzte dauerhaft entziehen und das System nach Gusto nutzen, wie es ihnen gerade einfällt, muss das finanzielle Sanktionen nach sich ziehen.“ Gassens Ansicht nach gehört der Großteil der Patienten, der in die Notaufnahme kommt, nicht dorthin.

Es geht um eine schneller Behandlung echter Notfälle

Der KBV-Chef machte heute aber zugleich deutlich, dass es nicht darum gehe „Notfallpatienten zur Kasse zu bitten“. Anliegen sei vielmehr, dass Patienten, die krank seien, schnellstmöglich die richtige Versorgung erhielten. „Wir wollen, dass nur Patienten mit ernsten Erkrankungen, zum Beispiel bei Verdacht auf einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, eine Notfallambulanz der Krankenhäuser aufsuchen“, betonte Gassen.

Die KBV hat deshalb gemeinsam mit den KVen ein Konzept zur Restrukturierung der Notfallversorgung vorgelegt. Neben einer engeren Zusammenarbeit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der KVen mit den Krankenhäusern sieht es einen Ausbau der bundesweiten Bereitschaftsdienstnummer 116117 vor.

Bessere Steuerung

„Patienten, die dringend ärztliche Hilfe benötigen, sollen zukünftig die 116117 rund um die Uhr wählen können. Fachkundiges Personal entscheidet dann, wo der Patient am besten behandelt werden kann – in der Arztpraxis, in einer Bereitschaftsdienst­praxis oder im Krankenhaus“, erläuterte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister. Vielen Patienten, das zeigten internationale Erfahrungen, könne zudem bereits am Telefon geholfen werden.

„Vor dem Hintergrund, dass die Ärzte in Praxen und Krankenhäusern bereits jetzt am Limit sind, bedarf es dringend einer solchen Lösung“, unterstrich Hofmeister. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hatte kürzlich ähnliche Vorschläge präsentiert.

„Wir brauchen eine solche Steuerung, die letztlich dem Patienten zugute kommt. Eine Gebühr schlägt der Sachverständigenrat als letzte Lösung vor – und dann auch nur für die Patienten, die weiterhin die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen, wohlwissend, dass sie zu einem niedergelassenen Arzt gehen könnten“, hob KBV-Chef Gassen hervor.

„Wir warten jetzt nur noch auf die Zustimmung des Gesetzgebers, dass wir den 24-Stunden-Service unter der Nummer 116117 aufbauen können“, ergänzte er. Zurzeit dürfen die KVen den Bereitschaftsdienst nur abends, nachts und am Wochenende anbieten. Die Nummer 116117 ist bereits seit mehreren Jahren bundesweit geschaltet und hilft bei der Suche einer Bereitschaftsdienstpraxis.

Kliniken, Kassen und Patientenschützer üben Kritik

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kann der Idee einer Gebühr für Notfallpatienten nichts abgewinnen. „Eine solche Strafgebühr ist aus unserer Sicht schlicht falsch“, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die KVen sollten zunächst hinterfragen, warum so viele Menschen in die Notfallambulanzen der Kliniken gingen. Das liege vor allem daran, weil das Angebot im niedergelassenen Bereich nicht ausreichend sei und die KVen ihrem Sicherstellungsauftrag nicht überall gerecht würden.

Befragungen zeigten Baum zufolge auch, dass niedergelassene Ärzte Patienten in die Krankenhäuser schickten, wenn sie keine Termine frei hätten. „Von Mittwoch- oder Freitagnachmittag wollen wir erst gar nicht sprechen. Die Patienten jetzt über eine Gebühr bestrafen zu wollen, ist der völlig falsche Weg", sagte Baum.

Merkwürdige Idee

Die Krankenkassen sprachen von einer „merkwürdigen Idee“. „Erst kümmern sich die Kassenärztlichen Vereinigungen jahrelang nicht ordentlich um den Bereitschaftsdienst in der Nacht, an den Abenden und den Wochenenden und jetzt, wo die kranken Men­schen die Kliniken aufsuchen, will der Chef des Kassenärzte sie dafür mit Zusatzkosten bestrafen“, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Die Versorgung müsse dort organisiert werden, wo die Menschen sie bräuchten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert die Vorschläge ebenfalls. „Mit einem Trommelfeuer versuchen die Kassenärzte, von ihrem eigenen Versagen abzulenken“, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. Tatsächlich würden Hausbesuche immer mehr heruntergefahren und Öffnungszeiten der Praxen eigenmächtig gekürzt, während das Milliardenbudget von Jahr zu Jahr steige. Konsequent wäre es, die KVen für die Patienten in den Notaufnahmen zahlen zu lassen. © dpa/may/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #672734
isnydoc
am Dienstag, 17. Juli 2018, 09:51

Hergebrachtes System "um jeden Preis" erhalten?

Auf keinem anderen Gebiet zeigt sich der "Überlebenskampf" der Institutionen und ihrer "verdienten Funktionäre" so deutlich wie in der Diskussion der Notfallversorgung.
Ist die SGB V - Ideologie des Sicherstellungsauftrages als Grundlage der kassenärztlichen Vereinigungen noch zu retten? Finanziell presst man den Notdienst-verpflichteten Kassenärzten bereits "Abgaben" für diese Zwangsbeschäftigung ab, womit sich solche Dienste nicht einmal ökonomisch profilieren! Muss man sich da wundern, dass so gewaltig hakt?
Eine faire Diskussion dazu scheint in Deutschland nicht möglich zu sein.
Avatar #104037
popert
am Montag, 16. Juli 2018, 23:16

Einfache Lösungen sind nötig

Die DKG hat immer darauf hingewiesen, dass die Versorgung in KH-Ambulanten deutlich teurer (allerdings nicht notwendigerweise besser) sei. Eine viel einfachere Lösung wäre es deswegen, wenn Patienten während der Praxiszeiten oder bei parallelem Angebot des ÄBD für die Behandlung in Ambulanzen für die entstehenden Zusatzkosten einen spürbaren Kostenanteil tragen müssten. (Siehe Positionspapier der DEGAM).
Die Telefonhotline ist umständlich und aufwendiger.
Dass die Krankenhäuser keine dieser Lösungen mögen, ist nachvollziehbar eigennützig - schließlich generieren sie viele (meist überflüssige) Aufnahmen aus den Ambulanzen.
Dass der GKV-Spitzenverband dem nicht sofort zustimmt, beweist nur dessen fehlende Vorausschau.
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