Medizin
HIV: US-Leitlinie empfiehlt sofortigen Therapiebeginn und „PrEP on demand“
Mittwoch, 25. Juli 2018
Birmingham/Alabama – Mit der Behandlung einer HIV-Infektion sollte möglichst rasch, eventuell sogar innerhalb von 24 Stunden nach dem positiven Testergebnis begonnen werden. Dazu rät die neue US-Leitlinie im Amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2018; 320; 379–396), die in der Initialbehandlung einer Kombination aus einem INSTI plus zwei NRTI den Vorzug gibt. Eine in den USA zugelassene Zweierkombination sollte erst bei einem „Switch“ eingesetzt werden. In der Prävention wird erstmals zu einer „PrEP-on demand“ geraten.
Die Leitlinien des International Antiviral Society-USA Panel (IAS-USA) haben sich seit ihrer ersten Version von 1996 als international wegweisend erwiesen. Stand damals noch das Bestreben im Vordergrund, die Patienten langfristig am Leben zu erhalten, so kommt es heute auch darauf an, die Behandlung für den Patienten so nebenwirkungsarm wie möglich zu machen. Ein früher Therapiebeginn und die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) sollen neben dem persönlichen Schutz der Patienten auch einen Beitrag zur Eindämmung der HIV-Epidemie leisten.
Alle HIV-Infizierten sollten so bald wie möglich eine antiretrovirale Therapie erhalten. Nach dem RAPID-Protokoll (Rapid ART Program for Individuals With an HIV Diagnosis) ist dies sogar innerhalb von 24 Stunden nach der HIV-Diagnose möglich (noch vor Eintreffen der Ergebnisse zur Resistenztestung). In einer Studie, die der Empfehlung zugrunde liegt, wurden mit der „Blitzbehandlung“ die Viruslast innerhalb von 1,8 Monaten auf unter 200/µl gesenkt gegenüber 4,3 Monaten bei einem späteren Beginn (J Acquir Immune Defic Syndr 2017; 74: 44–51).
Die Patienten beginnen heute die Behandlung mit einer einzigen täglichen Tablette, die 3 Wirkstoffe enthält. Standard sollte nach Ansicht der Leitlinienautoren um Michael Saag von der Universität von Alabama in Birmingham die Kombination aus einem Strangtransfer-Inhibitor (INSTI) und 2 nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) sein. INSTIs sind hochwirksam und nebenwirkungsarm.
Darüber hinaus haben INSTIs wie Dolutegravir und Bictegravir eine hohe genetische Barriere gegen eine Resistenzentwicklung und es gibt nur wenige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Die beiden anderen INSTIs, Raltegravir und Elvitegravir, können ebenfalls zur Initialtherapie eingesetzt werden, bei ihnen ist laut der Leitlinie jedoch die Schwelle zur Resistenzentwicklung niedriger.
Seit Kurzem ist in den USA auch die Zweierkombination aus Dolutegravir und Rilpivirin zugelassen. Sie kommt jedoch nur für Patienten infrage, die unter einer Initialbehandlung mit 3 Wirkstoffen eine zuverlässige Virussuppression erzielt haben. Die Zweierkombination ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet, da Rilpivirin mit einer Mahlzeit eingenommen werden muss und die Patienten keine Magensäureblocker einnehmen dürfen. In den beiden Zulassungsstudien kam es denn auch prompt zu häufigeren Therapieabbrüchen als unter einer Standardtherapie (Lancet 2018; 391: 839–849).
Die frühzeitige Therapie hat dazu geführt, dass opportunistische Infektionen immer seltener werden. Die Leitlinie hält deshalb eine routinemäßige Prophylaxe gegen den Mycobacterium-avium-Komplex nicht mehr für notwendig.
Bei den Labortests sind Einsparungen möglich. Wenn ein Patient einmal eine komplette Suppression der HIV-RNA unter die Nachweisgrenze erreicht hat und die CD4-Zellzahlen über 250 liegen, kann nach Ansicht der Leitlinien-Autoren auf regelmäßige CD4-Kontrollen verzichtet werden.
Trotz der effektiven Therapie erreicht laut einer Untersuchung der US-Centers for Disease Control and Prevention nur jeder 2. HIV-Infizierte eine ausreichende Virussuppression. Dies liegt daran, dass nach wie vor viele Menschen nicht wissen, dass sie HIV-infiziert sind. Die neue Leitlinie fordert ein vermehrtes Screening. Jeder Mensch, der sexuell aktiv ist, sollte wenigstens einmal auf HIV getestet werden. Die Risikogruppen (Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Frauen und Konsumenten von intravenösen Drogen) sollten sich am besten alle 3 Monate testen lassen, wenigstens aber einmal im Jahr.
Patienten, die aufgrund ihres Sexualverhaltens ein hohes Ansteckungsrisiko haben, sollten sich schützen. Neben der konventionellen PrEP wird jetzt auch eine „PrEP on demand“ empfohlen, beispielsweise nach dem 2-1-1-Schema. Es besteht aus der Einnahme einer Tablette mit Tenofovir/Emtricitabin 24 Stunden und 2 Stunden vor dem Sexualkontakt sowie aus 2 weiteren Tabletten 24 Stunden nach dem Sexualkontakt. Die Strategie ist nicht zu 100 % „wasserdicht“, sie hat das Infektionsrisiko in der IPERGAY-Studie jedoch um 86 % gesenkt (NEJM 2015; 373: 2237–2246). © rme/aerzteblatt.de
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IPERGAY-Schema
Die PrEP on demand wird mit 1x2 Tabletten zwischen 2 und 24 Stunden vor und jeweils einer Tablette 24 bzw. 48 Stunden nach dem Risikokontakt durchgeführt.

ART senkt Viruslast, nicht CD4-Zellzahl
Das ist falsch. Die ART senkt nicht die CD4-Zellzahl, sondern die Viruslast.

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