Ausland
Keine Preiserhöhungen: Deutsche Pharmakonzerne beugen sich Trump
Montag, 30. Juli 2018
Frankfurt am Main – Nach harscher Kritik von US-Präsident Donald Trump an hohen Medikamentenpreisen in den USA machen jetzt auch deutsche Pharmakonzerne Zugeständnisse. Sie folgen einer Reihe von Branchenschwergewichten, die auf Preiserhöhungen in Amerika verzichten, um Trump nicht zu provozieren.
Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck kündigte an, derzeit keine Preiserhöhungen in den USA für den Rest des Jahres 2018 zu planen. Man treffe aber Preisentscheidungen „unabhängig“, wie es hieß. Bayer erklärte, man habe eine Vereinbarung unterzeichnet, die Preise für alle rezeptpflichtigen Medikamente bis zum Jahresende nicht zu erhöhen. Darüber sei US-Gesundheitsminister Alex Azar „persönlich“ informiert worden.
Raus aus der Schusslinie
Trump hatte wiederholt die hohen Kosten im US-Gesundheitssystem bemängelt, das als eines der ineffizientesten weltweit gilt. Gerade teure rezeptpflichtige und patentgeschützte Medikamente stören ihn. Jüngst hatten reihenweise Unternehmen wie Roche, Novartis und Pfizer eingelenkt und auf Preiserhöhungen in den USA zu verzichtet. Der US-Konzern Merck & Co kündigte sogar niedrigere Preise an.
Daraufhin hatte Trump sich per Twitter bedankt. „Vielen Dank an Novartis, dass Sie Ihre Preise für verschreibungspflichtige Medikamente nicht erhöht haben. Gleiches gilt für Pfizer“, schrieb er über den Kurznachrichtendienst. Man sei dabei, einen großen Schritt zu machen, um die Preise für rezeptpflichtige Medikamente zu senken.
Analysten sehen in dem schnellen und geschlossenen Handeln der Konzerne eine Vorsichtsmaßnahme. „Sie wollen aus der Schusslinie von Trump“, meint Ulrich Huwald, Analyst bei der Privatbank M. M. Warburg. Hohe Arzneimittelpreise seien ein Politikum. Im Herbst seien Halbzeitwahlen, für die Trump Erfolge brauche. Viele Ankündigungen seien aber sehr weich formuliert. „Keiner hat angekündigt, für alle Zeiten auf Preiserhöhungen in den USA zu verzichten“, sagte Huwald.
Deutsche Konzerne trifft die Debatte am Rande. Merck erzielte 2017 in seiner Arzneimittelsparte in Nordamerika rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz – knapp zehn Prozent der Gesamterlöse. Auch Bayer erwirtschaftete mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln – darunter dem Blutverdünner Xarelto – in Nordamerika weniger als ein Zehntel der Konzernumsätze.
Neben Merck und Bayer sind auch das Familienunternehmen Boehringer Ingelheim und der Gesundheitskonzern Fresenius in den Vereinigten Staaten vertreten – letzterer mit seiner Dialysetochter FMC sowie intravenös verabreichten Nachahmerpräparaten. Doch Trumps Ärger richtet sich vorrangig gegen teure Originalpräparate. Boehringer wiederum wollte sich nicht zu Preisänderungen äußern.
Trumps Verbaloffensive trübt gleichwohl die Perspektiven von Pharmakonzernen auf dem wichtigen US-Markt. „Während in Deutschland die Arzneipreise stark reguliert sind, konnten die Unternehmen in den Vereinigten Staaten die Preise frei setzen“, sagte Huwald. „Für sie waren die USA bisher ein Eldorado.“ Sollten aus Trumps Drohungen Gesetzesänderungen resultieren, würde das die Pharmakonzerne treffen.
Nebenwirkungen möglich
Merck nutzte den Spielraum in Übersee etwa, um Erlösrückgänge seines Blockbuster-Mittels Rebif gegen Multiple Sklerose über Preiserhöhungen zu dämpfen. Und für das Krebsmedikament Bavencio hat der Konzern erst im Frühjahr 2017 die US-Zulassung gegen einen seltenen Hautkrebs sowie gegen Tumore im Harntrakt erhalten. Das Mittel ist für Merck mit einem US-Listenpreis von 13.000 Dollar im Monat lukrativ und die größte Arzneimittelhoffnung der Darmstädter.
Die teure Entwicklung neuer Arzneimittel könnte für Pharmakonzerne bei einer dauerhaften Preisdebatte unattraktiver werden. Natürlich sei der Verzicht auf Preissenkungen für US-Patienten zunächst positiv, meinte Huwald. Langfristig gebe es aber durchaus Gefahren: „Wer investiert schon in die Entwicklung von Medikamenten, wenn er keine Planungssicherheit für die Preise hat?“ Im schlimmsten Fall könnten Pharmakonzerne die Forschung an neuen Mitteln auf den Prüfstand stellen. „Das wäre nicht im Sinne von Patienten.“ © dpa/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema
