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WHO mahnt zum 90. Geburtstag von Penicillin zu Problembewusstsein bei Antibiotika

Mittwoch, 29. August 2018

/dpa

Genf – Antibiotika sind ein Segen für die Menschheit, aber die Waffe gegen tödliche Infektionen droht 90 Jahre nach der Entdeckung des Penicillins stumpf zu werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt Alarm. In der EU sind nach einer Expertenschätzung schon vor zehn Jahren 25.000 Menschen im Jahr an einer Infektion mit Bakterien gestorben, die gegen die eingesetzten Antibiotika resistent waren.

Wenn die Länder das Problem nicht bald in den Griff bekommen, sterben die Menschen „im schlimmsten Fall wieder an einfachen Infektionen etwa der Blase oder an Lungenentzündung oder Sepsis, weil die Medikamente nicht wirken“, sagte Marc Sprenger, der die WHO-Abteilung für den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen leitet. Er bezeichnete Antibtiotika als „zweifellos eine der wichtigsten Entdeckungen der Medizingeschichte“.

Rückblende: 1928, als einfache Wundinfektionen oder Diphtherie, Lungenentzündung und Tuberkulose für Patienten oft ein Todesurteil waren, bemerkte ein schottischer Bakterienforscher nach der Rückkehr aus dem Urlaub, dass sich auf einer Bakterien­kultur in seinem Labor ein Schimmelpilz gebildet und die Bakterien vernichtet hat. Der Pilz heißt Penicillium. Alexander Fleming (1881–1955) ist sich seiner bahnbrechenden Entdeckung sofort bewusst. Es dauert aber noch 14 Jahre, bis das erste Penicillin auf den Markt kommt. Fleming erhält 1945 den Medizinnobelpreis.

Nach dem Penicillin werden weitere gegen Bakterien wirkende Verbindungen gefunden. Allerdings entwickeln Bakterien auf uralten und natürlichen Wegen Überlebensstrategien gegen Substanzen, die ihnen schaden. Sie werden resistent. Auch Ärzte, Patienten und Bauern tragen zu dem Problem bei. Bauern, weil sie Antibiotika lange flächendeckend in der Massentierhaltung eingesetzt haben und teils noch einsetzen, um ihre in der Enge anfälligeren Tiere vor Seuchen zu schützen. Die Antibiotika gelangen über das Fleisch in die Nahrungskette des Menschen und erlauben es Bakterien, sich daran zu gewöhnen.

Bei Ärzten und Patienten liegt die Sache anders. „Es ist ein kulturelles Phänomen“, sagte Sprenger. „Auch, wenn viele Infektionen eigentlich nach ein paar Tagen von selbst weggehen, verlangen Patienten oft nach Antibiotika und Ärzte sind zu schnell dabei, ihre Wünsche zu erfüllen.“ Während ein Arzt in Westeuropa Patienten inzwischen oft beruhigen könne, verlangten Patienten in ärmeren Ländern, die für einen Arztbesuch aus eigener Tasche bezahlen, häufig nach Medikamenten.

Schon innerhalb der EU sind die Unterschiede drastisch. In Süd- und Mitteleuropa – etwa Spanien, Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Polen – sind teils schon weit mehr als 50 Prozent bestimmter Bakteriengruppen gegen einzelne Antibiotika resistent. In Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien sind es meist deutlich unter zehn Prozent. In Griechenland und Zypern liegt der Verbrauch von Antibiotika pro 1.000 Einwohnern etwa doppelt so hoch wie in Deutschland.

In manchen Ländern sind Antibiotika sogar an der Straßenecke oder auf dem Markt erhältlich. In anderen werden die Wirkstoffe von skrupellosen Geschäftemachern verdünnt. Ein falsches oder unwirksames Mittel oder eine falsche Dosierung sorgen aber dafür, dass Bakterien sich an die Medikamente anpassen, dass sie überleben.

Nötig wären neuartige Wirkstoffe mit neuen Wirkmechanismen, sagte Sprenger. Die Wissenschaft habe aber seit 30 Jahren praktisch keine neuen Angriffsflächen mehr gefunden. „Es sind neue Medikamente in der Forschungspipeline, aber wahrscheinlich haben wir in fünf bis sieben Jahren nur noch ein oder zwei potenzielle neue Präparate“, sagte Sprenger. Die Grundlagenforschung ist teuer und der Aufwand, ein Präparat zu entwickeln, das später möglichst wenig eingesetzt wird, lohnt sich für Pharmafirmen eher nicht.

Daher ist staatliche Unterstützung erforderlich. Deutschland hat daher in der G-20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer Unterstützung zusammen­getrommelt. „Die G20 haben sich unter deutscher Präsidentschaft dazu verpflichtet, die Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe kraftvoll voranzutreiben“, sagte der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im vergangenen Jahr.

„Wir brauchen starke Gesundheitssysteme, damit Antibiotika nur über Ärzte nach Abklärung der Notwendigkeit ausgegeben werden“, sagte Sprenger. Dabei müssten reiche Länder die ärmeren unterstützen. Die WHO verstärke Aufklärungskampagnen für Ärzte und Patienten. In Indien und China, wo viele der Antibiotika hergestellt werden, seien Rückstände aus Fabriken teils in die Umwelt gelangt. Inzwischen seien sich die Länder des Problems bewusst und kümmerten sich. © dpa/aerzteblatt.de

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