Politik
Private Krankenversicherung sieht sich durch Politik geschwächt
Mittwoch, 29. August 2018
Berlin – Vertreter privater Krankenversicherungen haben gestern in Berlin Maßnahmen zur Stärkung ihres Geschäftsmodells gefordert. Sie kritisierten, dass gesetzliche Neuregelungen der vergangenen Jahre zu einer Schwächung der privaten Krankenversicherung (PKV) geführt hätten.
„In den letzten Jahren wurde von der Politik vieles auf den Weg gebracht, das die Position der PKV verschlechtert hat“, sagte Roland Weber, Vorstandsmitglied der Debeka Krankenversicherung, gestern auf der Euroforum-Konferenz „PKV aktuell & digital“ in Berlin. Als Beispiele nannte er die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze im Jahr 2003, die Einführung der Unisex-Tarife oder die nun im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) enthaltene Erhöhung des Zahnersatzzuschusses für gesetzlich Versicherte.
In der Folge dieser und anderer Vorgaben habe sich das Geschäft mit Neukunden für die PKV-Unternehmen halbiert, sagte Weber. Habe es 2009 noch 566.000 Neukunden gegeben, seien es 2017 nur noch 280.000 gewesen. Und die Zusatzversicherungen hätten nur ein Volumen von 20 Prozent des PKV-Marktes. Davon könne kein Unternehmen leben.
Hans Olav Herøy vom Vorstand der HUK-Coburg schlug Maßnahmen vor, um die PKV zu stärken. Unter anderem befürwortete er die Einführung einer Ausscheidegrenze. Demnach dürften sich Versicherte ab einem bestimmten Einkommen nicht mehr freiwillig gesetzlich versichern. Zudem regte er an, den Wechsel zwischen privaten Krankenversicherern zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist es aus Herøys Sicht auch versicherungsmathematisch möglich, die Altersrückstellungen bei einem Wechsel mitzunehmen.
Der Geschäftsführer des PKV-Verbandes, Timm Gennett, sprach sich hingegen gegen die Einführung einer Ausscheidegrenze aus. „Wenn eine bestimmte Einkommensgruppe nicht zwischen beiden Systemen wählen darf, dann findet für sie kein Wettbewerb zwischen den Systemen statt“, sagte er. „Ein solcher Wettbewerb ist aber wichtig, um das Gesamtsystem unter Druck zu setzen.“
Weber meinte, aus der Wissenschaft habe es bislang noch keine umsetzbaren Vorschläge zur Mitnahme der Altersrückstellungen gegeben. Denn dies wäre ein rückwirkender Eingriff in bestehende Verträge. Und ein solcher sei nur zulässig, wenn die Auswirkungen auf die Versicherten noch vertretbar wären. „In der Vergangenheit waren die Auswirkungen unvertretbar hoch“, so Weber. „Die Frage ist nun: Was ist vertretbar und was nicht?“
Versicherungspflichtgrenze senken
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, wendete sich gegen eine Ausscheidegrenze. „Stattdessen sollte man den Menschen die Möglichkeit geben zu wechseln“, sagte er und rief die Politik auf, die Versicherungspflichtgrenze zu senken, um auf diese Weise mehr Wettbewerb zwischen den Systemen zu ermöglichen. Das meinte auch Gennett: „Es wäre an der Zeit, die Grenze zu senken, damit mehr Menschen eine Wahlmöglichkeit haben.“
Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags, Erwin Rüddel (CDU), befürwortete ebenfalls den Wettbewerb der Systeme. Er sei die Stärke des deutschen Gesundheitswesens. Allerdings müssten beide Systeme für sich weiterentwickelt werden. „In der gesetzlichen Krankenversicherung müssen wir den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, Morbi-RSA, neu strukturieren“, sagte er.
Im vergangenen Jahr hatte der Wissenschaftliche Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs im Auftrag der Politik zwei Gutachten vorgelegt. Trotzdem „haben wir noch nicht die endgültige Orientierung beim RSA“, sagte Rüddel. Ein Weg könne sein, dass alle Krankenkassen eine einheitliche Aufsicht bekommen.
Denn „dort, wo die Bundesaufsicht zuständig ist, agieren die Kassen anders als dort, wo die Landesaufsicht zuständig ist“, so der CDU-Politiker. „Das könnte ein Grund für die heutigen Probleme sein.“ Insbesondere die Ersatzkassen und die Betriebskrankenkassen beklagen seit Jahren, dass der Morbi-RSA in seiner heutigen Form die AOKen begünstige. © fos/aerzteblatt.de

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