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Politik

Versorgungsmangel in der Altenpflege wird größer

Freitag, 7. September 2018

/dpa

Berlin – In der Altenpflege herrscht nicht nur ein Fachkräftemangel, sondern bereits ein Versorgungsmangel. Das erklärte der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, heute vor Journalisten in Berlin. Denn mittlerweile sei es in Deutschland so, dass sowohl stationäre Pflegeeinrichtungen als auch ambulante Pflegedienste Anfragen von Pflegebedürftigen ablehnen müssten, weil sie nicht genügend Pflegepersonal haben. „Und diese Entwicklung wird zunehmend“, sagte Meurer. „Denn die Schere zwischen der Anzahl der Pflegekräfte und der Zahl der Pflegebedürftigen wird weiter aufgehen.“

Meurer betonte, dass in den vergangenen Jahren von den Trägern der Pflegeheime viele neue Jobs geschaffen worden seien: So sei die Zahl der examinierten Altenpfleger zwischen 2013 und 2017 von 260.400 auf 308.550 gestiegen, wie Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigten. Die Zahl der Altenpflegehelfer stieg im gleichen Zeitraum von 204.600 auf 252.450. Und auch in der Ausbildung gebe es einen Höchststand, so Meurer. Wurden 2008/2009 noch 41.553 Menschen in der Altenpflege ausgebildet, waren es 2017 bereits 68.260.

Ruf nach einem Einwanderungsgesetz

„Doch die Zahl derjenigen, die Pflege benötigen, wächst noch schneller“, so Meurer. Um dem Problem zu begegnen, forderte er eine Neuauflage der „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“, mit der bereits zwischen 2012 und 2015 die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Altenpflege gefördert wurde. Nun solle mit ihr zum Beispiel die Umschulung zu Pflegefachkräften gefördert werden, so Meurer.

Zudem bedürfe es eines Einwanderungsgesetzes, mit dem der Zuzug qualifizierter Pflegekräfte strukturiert organisiert werden könne. „Heute haben ausgebildete Pflegekräfte aus dem Ausland große Probleme, in Deutschland eine Arbeitserlaubnis zu bekommen“, kritisierte Meurer. „Sie müssen in ihrem Heimatland Anträge ausfüllen, möglichst in deutscher Sprache. Und dann gibt es 16 verschiedene Regelungen in den Bundesländern.“

Fachkraftquote ist nicht zu halten

Schließlich forderte Meurer eine Flexibilisierung der Fachkraftquote. Heute müssen mindestens 50 Prozent der Pflegekräfte in einem Pflegeheim eine dreijährige Ausbildung absolviert haben. „Wenn die Quote auf 49 Prozent sinkt, erklären uns die Heimaufsichtsbehörden, dass wir keine neuen Bewohner mehr aufnehmen sollen“, sagte Meurer. Doch es dauere im Durchschnitt acht bis neun Monate, um eine offene Pflegestelle wieder zu besetzen.

„Man muss sich entscheiden, ob man die Fachkraftquote flexibler handhaben will und dafür mehr Pflegebedürftige versorgen kann oder ob man sie lässt, wie sie ist, und in der Folge einige Pflegebedürftige unversorgt bleiben“, sagte Meurer. „Unser Ziel ist es, mit den Ressourcen, die wir haben, alle Pflegebedürftigen zu versorgen. Bei einem solchen Ziel ist die Fachkraftquote momentan nicht zu halten.“ Meurer forderte, einen Korridor zwischen 45 und 50 Prozent bei der Fachkraftquote einzuführen.

Brüderle: Markt sorgt für hohe Gehälter

Einem flächendeckend gültigen Tarifvertrag in der Altenpflege, wie ihn Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag anvisiert haben, erteilten Meurer und der Präsident des bpa-Arbeitgeberverbands, Rainer Brüderle, eine Absage.

Auch ohne Tarifverträge seien die Gehälter in der Altenpflege im vergangenen Jahr um 4,7 Prozent angestiegen, während der Anstieg der Löhne in der Gesamtwirtschaft lediglich bei 2,5 Prozent gelegen habe, so Brüderle.

Dies zeige, dass der Markt selbst dafür sorge, dass in einem Mangelberuf höhere Gehälter gezahlt werden. Auch, um für Transparenz bei den Gehältern zu sorgen, brauche es keine Tarifverträge. Die von den Arbeitgebern selbst vorgelegten Arbeitsvertragsrichtlinien würden ebenfalls für Transparenz sorgen.

BRK muss täglich Patienten ablehnen

In einem Statement sprach sich heute auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK) dafür aus, den Zuzug qualifizierter Pflegekräfte nach Deutschland zu erleichtern. Dafür müssten bürokratische Hürden abgebaut werden. Schon heute seien beim BRK 150 Pflegestellen nicht besetzt. „Das bedeutet, dass etwa 400 bis 500 Betten leer bleiben müssen, weil nicht ausreichend Personal für die Betreuung der Pflegebedürftigen da ist“, betonte BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk gestern in München. „Wir müssen schon jetzt in der ambulanten Betreuung täglich Patienten ablehnen.“

Der Personalmangel verschärfe sich zudem, wenn in den kommenden 15 Jahren mehr als die Hälfte der BRK-Pflegekräfte in Rente geht. „Wenn die Politik jetzt nichts macht, ist in 15 Jahren ein Drittel der Pflegebedürftigen unversorgt. Das wäre der GAU“, ergänzte BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer. Umso wichtiger sei der Einsatz von Fachkräften aus dem Ausland. „Wir brauchen staatlich organisierte und finanzierte Anwerbeprogramme. Das können wir Verbände nicht mehr alleine stemmen“, so Stärk. © fos/dpa/aerzteblatt.de

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