Politik
Bis 2035 fehlen mindestens 130.000 Altenpflegekräfte
Montag, 10. September 2018
Berlin – Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte von etwa drei Millionen im Jahr 2015 auf vier Millionen im Jahr 2035 steigen. Das geht aus einer Simulationsrechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (iw) hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde.
Dabei hat das Institut die Zahlen der vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Pflegestatistik aus dem Jahr 2015 in zwei Szenarien fortgeschrieben. Im ersten wurde davon ausgegangen, dass sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung bis 2035 nicht verändert. Dann würde die Zahl der Pflegebedürftigen auf etwas mehr als vier Millionen steigen.
Würde die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung mit einer besseren Gesundheit einhergehen, wie im zweiten Szenario angenommen, würde sich die Pflegebedürftigkeit in ein höheres Lebensalter verschieben. Die Zahl der Pflegebedürftigen läge dann bei 3,8 Millionen, so die iw-Wissenschaftler.
Im ersten Szenario gäbe es bis 2035 einen Bedarf von 150.000 zusätzlichen Altenpflegern, im zweiten würden 130.000 Altenpfleger zusätzlich fehlen. Dabei seien schon heute viele Stellen unbesetzt. „Im Jahr 2017 kamen auf 100 offene Stelle gerade einmal 22 arbeitslose Pflegekräfte“, heißt es in der Studie.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht sich durch das Gutachten in dem Kurs der Bundesregierung bestätigt, die Rahmenbedingungen in der Pflege mit der vor Kurzem begonnenen „Konzertierten Aktion Pflege“ verbessern zu wollen, die auch vom Bundesarbeits- und vom Bundesfamilienministerium getragen wird. „Wir werden Zehntausende neue Pflegekräfte brauchen“, sagte Spahn heute vor Journalisten in Berlin. „Es ist müßig, darüber zu streiten, wie viele genau es sein müssen. Klar ist: Es müssen viele sein.“ Deshalb müsse der Pflegeberuf attraktiver werden.
„Die im Rahmen der Konzertierten Aktion eingerichteten Arbeitsgruppen werden nach der Sommerpause in vielen Treffen beginnen sich auszutauschen“, sagte Spahn. Dabei werde es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze gehen, um die Umstellung von Schichtarbeitszeiten, um die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland oder um die Entbürokratisierung mithilfe von digitalen Anwendungen. Spätestens zur Sommerpause 2019 sollen erste Ergebnisse vorliegen, so Spahn.
„Das Gutachten zeigt aber auch: Wer mehr Pflegekräfte haben will, der wird am Ende auch als Gesellschaft mehr dafür bezahlen müssen“, betonte der Minister. „Das bestätigt unseren Kurs, den Beitragssatz für die Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte anzuheben.“ Gut bezahlte Pflegekräfte müssten der Gesellschaft etwas Wert sein.
In diesem Zusammenhang begrüßte Spahn, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden soll. Denn auf diese Weise entstünden Spielräume in der Pflege. „Ich spüre eine hohe Bereitschaft bei den Menschen, höhere Beiträge für die Pflege zu bezahlen“, sagte Spahn, „wenn man weiß, dass es hilft.“
Arbeitgeber fordern Einwanderungsgesetz
„Dieses ständige Überbieten mit immer neuen Horrorzahlen hilft nicht wirklich weiter“, kommentierte der Vizepräsident des Arbeitgeberverbandes Pflege, Friedhelm Fiedler, die Zahlen des iw. Was jetzt gebraucht werde, sei klar: Ein Einwanderungsgesetz ohne überbordende Bürokratie, das es Fachkräften und Ausbildungswilligen erlaubt, rasch und zügig in Deutschland in die Altenpflege einzusteigen, sowie eine zentrale Stelle für die berufliche Fachanerkennung, die dem „unsäglichen Länder-Tohuwabohu“ endlich einen Riegel vorschiebe.
Zudem forderte Fiedler eine Qualifizierungsoffensive, die es Pflegehilfskräften ermögliche, bei entsprechender Schulung zur Fachkraft aufzusteigen. © fos/aerzteblatt.de

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