Medizin
Pharyngeale elektrische Stimulation reduziert Schluckstörungen nach Schlaganfall
Donnerstag, 13. September 2018
Münster – Bei tracheotomierten Patienten, die nach einem Schlaganfall unter Schluckstörungen leiden, bildet sich die schlaganfallbedingte Dysphagie deutlich rascher zurück, wenn sie eine pharyngeale elektrische Stimulation (PES) erhalten. Das bestätigt eine in The Lancet Neurology veröffentlichte multizentrische Interventionsstudie mit 69 Patienten (2018; doi: 10.1016/S1474-4422(18)30255-2).
Rund 12,5 % aller in ein Krankenhaus eingelieferten Schlaganfallpatienten werden künstlich beatmet und bei 16,3 % muss eine Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) durchgeführt werden. Grundsätzlich wird die Dysphagie nach Schlaganfall vor allem durch eine logopädische Übungsbehandlung therapiert. Für tracheotomierte Schlaganfallpatienten stünden jedoch keine durch randomisierte Studien in ihrer Wirksamkeit belegte Therapieoptionen zur Verfügung, erklärt der Studienleiter Rainer Dziewas von der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Münster (UKM).
In der Rehabilitation dieser Patienten muss die Trachealkanüle entfernt werden, unter anderem um das Risiko von Atemwegskomplikationen zu verringern. Eine Schluckstörung ist der Hauptgrund, warum die Entwöhnung von der Trachealkanüle häufig nur langsam oder überhaupt nicht gelingt. Zur Reaktivierung des Schlucknetzwerkes steht seit einigen Jahren mit der pharyngealen elektrischen Stimulation (PES) eine Neurostimulationstherapie zur Verfügung.
PES reaktiviert das Schlucknetzwerk
In der PHAST-TRAC-Studie verglichen die Forscher die PES bei tracheotomierten Schlaganfallpatienten mit einer Scheintherapie. Bei Patienten, die eine PES erhielten, bildete sich die schlaganfallbedingte Dysphagie deutlich rascher zurück. Deshalb konnte auch die Trachealkanüle bei signifikant mehr Patienten unmittelbar nach der Stimulationstherapie entfernt werden (49 versus 9 %). Schwerwiegende Nebenwirkungen traten dabei nicht auf, berichtet Dziewas, Leiter der Sektion Schlaganfall-Therapie am UKM.
Darüber hinaus war der Krankenhausaufenthalt der Patienten, die auf die PES-Behandlung ansprachen, durchschnittlich um 22 Tage kürzer als bei Patienten, die kein Therapieansprechen zeigten. Die Studie wurde vom Hersteller finanziert. „Die PES ist für tracheotomierte Schlaganfallpatienten nicht nur ein Riesengewinn, weil die Trachealkanüle schneller entfernt werden kann und der Krankenhausaufenthalt sich signifikant verkürzt, sondern auch, weil so das Risiko von Folgekomplikationen reduziert wird“, sagt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Neurologie am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen. „Die PES stellt damit für diese schwerstkranken Patienten eine echte Therapieoption dar“, ist Dziewas überzeugt.
Bei der PES wird eine dünne Sonde über die Nase in die Speiseröhre eingeführt. Diese Sonde ist mit einem Paar Ringelektroden bestückt, über die die Rachenhinterwand elektrisch stimuliert werden kann. Dies geschieht an 3 aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils 10 Minuten. Physiologisch wirkt diese Stimulationstherapie, indem sie die sensiblen Leitungsbahnen, die das Schlucken steuern helfen, aktiviert und so das komplex strukturierte Schlucknetzwerk moduliert und neuronale Reorganisation induziert.
Elektrische Stimulation ergänzt logopädische Dysphagietherapie
„Die PES stellt damit für diese schwerstkranken Patienten eine gut verträgliche und nebenwirkungsarme Therapieoption dar“, berichtet Dziewas. Sie wäre aber immer eine Ergänzung zu den vorhandenen Übungsbehandlungen und solle diese auch nicht ersetzen, führt er fort. Auch in der Studie wurde die PES immer zusätzlich zu der am jeweiligen Standort üblichen (logopädischen) Dysphagietherapie durchgeführt.
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Aktuell wird die PES nicht von den Kostenträgern erstattet, NUB-Anträge (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) würden aber zum nächstmöglichen Zeitpunkt erneut gestellt, teilt der Neurologe vom UKM auf Anfrage des Deutschen Ärzteblatts mit. Die Stimulationssonde kostet etwa 1.400 Euro und könne einmal verwendet werden („single-use“). © gie/idw/aerzteblatt.de
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